no. 15 – gebrochen

Die goldene Sonne stand bereits tief über dem nachmittäglichen Horizont und eine dunkelgelbe Decke legte sich langsam auf die Landschaft, berührte meinen Rücken und meinen Nacken wohlig warm. Ich drückte mein Gesicht gegen die erwärmten, rauen Holzpfosten und lugte in den großen Käfig hinein. Fünf Breitmaul-Nashörner standen zusammengedrängt und ruhig schnaubend, in dem kleinen Gehege. Die dunklen Schatten der massiven, hölzernen Gitterstäbe zeichneten ein dunkles Abbild des freiheitsraubenden Zauns auf die grpßen, grauen Körper und kreierten ein extrem starkes Bild der Unfreiheit.

Die eingesperrten Tiere waren nicht in einem Zoo und dienten hier der Belustigung von Menschen, sondern sie waren Weisen. Aufgenommen im Game Capture Center im iMfolozi Park und Überbleibsel von tödlichen Zusammenstößen der Mutterkühe und mit den Wilderern. Ohne die Unterstützung des Game Capture Centers hätten diese Nashörner hier kaum eine Überlebenschance. Die Natur hat es nicht vorgesehen, dass ein kleines Nashornbaby alleine überleben kann. Es wäre ein gefundenes Fressen für Löwen oder Hyänen gewesen. Doch hier, im Game Capture Center, erhielten sie eine Chance. Hier konnten sie groß und kräftig werden, bevor sie wieder alleine ihre Füße in die Wildnis setzen durften. Menschen gemachtes Leid wurde hier, durch von Menschen gemachte Unterstützung, wieder etwas ausgeglichen. Das schien mir nur fair, doch ein Grund zum Feiern war es für mich nicht und eine ähnliche Stimmung wie beim De-horning machte sich in mir breit.

Die meisten Tiere waren sehr friedlich und überraschend neugierig. Ich kniete mich vor einem Gehege eines Spitzmaul Nashorns ab und hielt mich an einem Holzpfahl fest, während eines der Tiere neugierigen immer näher zum dicken Zaun stapfte. Als ich die warme Atemluft an meiner Hand spürte und das gemütliche Schnauben vernahm, kam mir unvermittelt die Geschichte von Grahams Nashorn-Begegnung wieder in den Sinn. Es war fast schon harmonisch zwischen uns!  

Ganz anders war es aber am Nachbargehege. Laut krachten die verkümmerten Hornstumpfen des massiven Kopfes in die dicken Holzpfosten. Holzspäne splitterten, der Holzzaun ächzte und ich wich einen Schritt zurück, während hellbrauner Staub langsam die Sicht vernebelte. Mit diesem Black Rhino war dann nicht zu spaßen! Ohne diesen massiven, Oberschenkel-dicken Zaun wäre es wohl nun mit mir vorbei gewesen. Game over!

Kann ich aber verstehen. Ich wäre auch schlecht drauf, wenn jemand meine Familie getötet hätte und ich dann, statt durch die wilde Buschlandschaft zu streifen, in einem kleinen Gehege gefangen wäre. Irgendwie war mir der “Nasty Boy” fast sympathisch. Fast.

Ich ging einige Schritte zurück und ließ die ganze Szenerie in der Totalen auf mich wirken. Das Gelände war riesig. Unzählige hölzerne Gehege reihten sich eines an das andere, während der Wind den Staub durch die freie Ebene blies. Abgesehen von dem Rauschen des Windes war es sehr ruhig und nur ab und zu konnte man ein dumpfes “bouncen” vernehmen, wenn ein Nashorn mal wieder gegen einen Holzpfahl “stupste”. In einiger Entfernung konnte ich einen großen gelben Kran ausmachen und unter diversen riesigen Carports standen einige grüne LKW´s mit allerlei Aufbauten, der dem Transport der bis zu 2,5 t schweren Tiere dienten.

Das wir hier sein durften war etwas Besonderes, denn dieser Ort war der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Unser Zutritt wurde nur über Joss gute Kontakte ermöglicht. Joss, so hatte sich herausgestellt, war der Sohn einer Familie, die mehrere große Lodges in Südafrika betrieb und entsprechend gut vernetzt war.

Weil für Joss eines Abends das Essen von Bhjane zu eintönig und war, wuchs in ihm die Idee, am Wochenende mit uns in einer der Lodges zu fahren und dort ein abwechslungsreiches Mittagessen einzunehmen. Also saßen wir am Samstagmittag in der “Rhino Ridge Lodge” und nahmen, bei herrlicher Aussicht auf ein Tal, allerlei schmackhafte Leckereien zu uns. Dieser Kontrast tat mir gut – ebenso wie der sehr leckere Kaffee. Hier ich konnte ein wenig entspannen und neue Energie tanken.

Die Woche war, wie schon die letzte Woche, für mich nämlich sehr stressig gewesen. Ein Programmpunkt jagte den Nächsten. Von Montag bis Mittwoch folgten wir den ausführlichen Ausführungen von Andrew Miller. Andrew war eine Ende fünfzig, Anfang sechzigjährige Koryphäe im “Nature-Guide-Kosmos” und erinnerte mich irgendwie ein wenig an Al Pacino. Er war zuständig für die Erste-Hilfe-Ausbildung, ließ es sich aber auch nicht nehmen, fernab von dieser Thematik, fast schon TED-Talk ähnliche Reden zu schwingen. Alles in allem sehr unterhaltsam, doch da es sich hier um einen “Erste-Hilfe-Grundkurs” handelte, kamen wir praktisch nicht über die Herz-Lungen-Massage hinaus. Am Ende gab es natürlich ein Examen und eine praktische Übung – bei 37 °C Grad.

“This is Africa, Baby” rief Andrew immer wieder gerne in den Lehrsaal und langsam wurde mir auch deutlich, was dies bedeutet bzw. wie gut es uns in Deutschland in vielen Sachen erging. Hier, in Südafrika wurden die Einweghandschuhe zum Trainieren abgezählt, wir trainierten an 20-Jahre alten “Puppen” und SAM-Splints (formbare Schaumstoffstreifen mit Aluminiumkern) waren 2024 eine „Neuheit“. In Deutschland waren diese bereits 2011, während meiner Rettungssanitäterausbildung voll etabliert.

Ich hatte auch selber bereits einige Erste-Hilfe-Kurse in Deuzschland für die Bundespolizei geleitet und wollte mich schon mokieren, dass wir einige, meiner Meinung nach wichtige Themen ausließen, als mir Andrew auch dafür indirekt eine “Erklärung” gab: “In Deutschland muss jeder, der einen Führerschein machen möchte einen Erste-Hilfe-Kurs machen. Das ist mal innovativ! Sowas bräuchten wir hier in Südafrika auch” rief er in die Gruppe und verdeutlichte mir, dass es hier wirklich nur um die absoluten Basics ging. Einige der Teilnehmenden hatten nämlich noch nie in ihrem Leben Kontakt mit der Thematik gehabt. Also erstmal klein anfangen –  und entspannen: This is Africa Baby.

Anschließend schleppten wir noch brütender Hitze und trockener „Saunaluft“ eine Teilnehmerin mit multiplen “Knochenbrüchen”, einer Hand-Amputation und einigen Schlangenbissen durch die Pampa. DA hatte jemand aber malwirklich einen schlechten Tag gehabt! Belohnt wurden wird dann von einer kalten Dusche. Denn ein Strommast hatte währenddessen mal wieder Feuer gefangen und ließ uns nun seit knapp drei Tage bei kaltem Wasser und abends im Dunkeln sitzen.

Doch der Stromausfall hatte auch etwas Gutes. Eigentlich war am Donnerstag die nächste “Slides- and Sound Prüfung“ angedacht gewesen, auf die wir aber, mangels Zeit, nur mäßig vorbereitet waren. Da für die Prüfung aber der Fernseher benötigt wurde, wurde die Prüfung um einen Tag verlegt gelegt und wir erhielten etwas mehr Zeit zum Lernen. Mittlerweile hatte ich mich aber auch an den künstlich produzierten Stress gewöhnt und ließ mich nicht mehr verrückt machen. Ich war nun tiefenentspannt und tat einfach, was ich konnte, in der Zeit, die ich hatte. Einfach weiter machen, Schritt für Schritt, eine Aufgabe nach der anderen. Ein Mantra, ähnlich wie in meiner Ausbildung zum Personenschützer – Nur ganz anders.

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