Erschöpft saß ich auf meinem Balkon und blinzelte in die untergehende, goldgelbe Sonne, die tief über den Baumwipfeln stand und glühend, gütig ihre Kraft verschenkte. Einer der ersten warmen, sonnigen Tage in diesem Jahr ging langsam zu Ende und eine angenehme Frische legte sich mehr und mehr sanft auf meine Haut.
Meine apricotfarbene Balkonrose hatte endlich fünf volle Blüten geöffnet und mit jedem sanften Windstoss verteilte sich nun ihr betörender, süßer Duft in der Luft. Ich atmete tief ein, streckte meine Beine auf einer matt grünen Unterlage vor mir aus und ließ meinen Blick in dem satten Hellgrün, welches mich umgab, umher wandern. Es war das erste Mal in diesem Jahr, dass ich die Rose von meinem Platz aus “erriechen” konnte.
Es war Samstag und es gab mal wieder ein Event in Hamburg: Hafengeburtstag. Hunderttausende von Menschen waren dafür extra aus dem ganzen Land in die größte Stadt im Norden geströmt und hatten sie, zusammen mit ihren gut zwei Millionen Einwohnern zusammen zum Beben gebracht.
Doch ich saß in meiner ruhigen, grünen Oase, umrahmt von riesigen, alten Bäumen und Hecken. Eine Vielzahl quirliger Vögel hatten hier Zuflucht und ein Zuhause gefunden und trällerten nun von allen Seiten und aus voller Kehle ihre Lieder in die Abendsonne. Ich beobachtete gerade zwei Eichelhäher, die sich gegenseitig von Baum zu Baum jagten und hatte dabei fast das entfernte, aber dauernde Rauschen der geschäftigen Autos der Großstädter hinter den großen Bäumen vergessen, als mich ein tiefes, lautes “TUUUUUUUUUT” aus meinen Gedanken riss. Normalerweise finde ich das Signalhorn der riesigen Containerschiffe, auf dem nur wenige hundert Meter entfernten Fluss “Elbe” nahezu magisch. Es erinnert mich an die Weite der See und vermittelt mir ein Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Doch heute erinnerte es mich daran, dass ich doch noch mitten in einer Großstadt lebte. Ich setzte mir meine Noise-Canceling Kopfhörer auf, startete einen “Organic House Mix” auf Youtube, schloss, begleitet von tiefen Beats und nun elektronischem Vogelgezwitscher, langsam die Augen und versank wieder in meiner “Ranger-Fantasywelt”. Dies war ein anstrengender Tag gewesen – und eine verdammt teure Woche.

Oniomanie [o.njo.ma.ni]
Das zwanghafte, episodische kaufen von Ware
Am Dienstag hatte ich meine freie Zeit dafür genutzt, in einen regelrechten Kaufrausch zu verfallen. Allein bei Amazon hatte ich über 25 Artikel in meinen Einkaufswagen geladen und meine Kreditkarte glühte bereits, als ich am Nachmittag das Fotofachgeschäft “Calumet” betrat, um mein neues 200-600mm Zoomobjektiv abzuholen. Keine 10 Minuten später war ich um weitere 2000 Euro ärmer und obwohl all diese Ausgaben wohl kalkuliert und geplant waren, legte sich langsam der Mantel des schlechten Gewissens auf meine Schultern. “Kaufsüchtig” schoss es mir in den Kopf und der Minimalist in mir wollte sich gerade auf die Pflastersteine des Parkplatzes übergeben, als ich den riesigen orangen Karton im Kofferraum meines Autos fallen ließ und beim Klacken der Kofferraumklappe mein rationales Selbst wieder die Kontrolle übernahm.
All diese Einkäufe waren wichtig und notwendig. Der Kauf dieser “Waren” gehörte zu meiner Vorbereitung einer schon nahen, großartigen Zeit in der Wildnis Afrikas.
Wildnis
Die Stärke der Wildnis. Roh, rau, hart und ungezähmt. “Wildnis” bedeutet für mich Freiheit, Leben und Tod. “Wildnis” ist gefährlich, geprägt vom schnörkellosen Kampf ums Überleben und unmittelbarer Stärke und Schwäche – jeden Tag.
Diese Wildnis wollte ich aus der Perspektive von Stärke erforschen. Doch die “Wildnis” besteht aus so viel mehr als die aufgeführten Attribute. “Wildnis” ist ein riesiger, komplexer Begriff und ist im Kern unsere Welt an sich. “Wildnis” ist nicht weniger als die Basis des Lebens und alles war einmal “Wildnis” – Auch wir.
Mir wurde klar, dass dies keine einfache, schnelle Mission werden würde – im Gegenteil. Diese Expedition wird vermutlich nie einen Abschluss finden, zu mannigfaltig ist dieser zu erforschende Bereich, zu groß, zu komplex ist das Thema “Wildnis” und zu viele spannende Motive und Geschichten warten auf mich.
Doch alles beginnt mit einem ersten Schritt und mein erster Schritt sollte die Bildung eines rudimentären Verständnisses über die “Wildnis” sein. Ein gutes Verständnis führt erstmal zu weiteren interessanten Perspektiven und somit zahlreichen neuen, starken Motiven. Das wichtigste aber ist, dass ein gutes Verständnis die Qualität einer Interpretation der Motive erheblich steigert! Ein Verständnis ist daher für meine Arbeiten essentiell und führt unmittelbar zu intensiveren und deutlich hochwertigeren, substantielleren Werken.
Um eine Basis für ein ganzheitliches Verständnis für die Stärke der Wildnis aufzubauen, beschloss ich, mich mit der Figur des Rangers, als Brücke vom Menschen zur Natur, auseinanderzusetzen.
Der “Ranger” ist in der Wildnis Afrikas tatsächlich aber nur eine Kunstfigur und besteht im Wesentlichen aus drei verschiedenen, realen Rollen: Dem Naturführer (Nature Guide), dem Field Ranger und dem Anti-Wilderer (Anti-Poacher, kurz APU).
Naturführer sind die Vermittler der afrikanischen Wildnis und ihre Aufgabe ist die Bildung und Führung von Menschen. Sie sind in Flora und Fauna außerordentlich kundig und erfahren, versuchen aber nicht bloß, den Menschen die Natur zu “erklären”. Im rustikalen Geländewagen oder zu Fuß in der Stille der Natur, führen sie Menschen primär an die Faszination Wildnis heran und ein guter Guide schafft dabei ein wirklich immersives Erlebnis. Er skizziert den Menschen die Blickrichtung und befähigt sie dann, die Natur selbst zu erfassen. Ein Naturführer, ein “Nature Guide” schafft so ein nachhaltiges Erlebnis und ist ein wichtiges Bindeglied zwischen der wilden Natur, dem Natürlichen und dem modernen Menschen, dem Individuum, also Dir. Ganz ähnlich einem Künstler.
Field Ranger sind dagegen verantwortlich für das Management und den Naturschutz von Wildtierparks oder Reservaten. Sie sind ebenso kundig in Flora und Fauna, verwalten aber primär die Wildtierpopulationen, erhalten die Gesundheit der ihnen anvertrauten Ökosysteme und stellen die Logistik und die nötige Infrastruktur sicher. Dabei leiten sie auch andere helfende Menschen an oder unterstützen Forschungsarbeiten, haben darüber hinaus aber überwiegend keinen Kontakt zu Wildnis interessierten Menschen.
Anti-Wilderer, Anti-Poacher, kurz APU, sind die Bodyguards der wilden Tiere in einem Reservat und die Notwendigkeit ihrer Existenz leitet direkt zu der Schwäche der Wildnis: Der Mensch. Da selbst die stärksten Wildtiere den Wilderern zum Opfer fallen, ist der Schutz der Tiere durch den Menschen selbst zum Erhalt der Stärke des Ökosystems unverzichtbar geworden. Die Rollen des Anti-Poachers und des Game Rangers können dabei manchmal als „Wildhüter“ verschwimmen, sind aber ebenso oft klar getrennt.
Diese Kunstfigur des Rangers bildete für mich den Schlüssel zum Veabsrständnis der starken Wildnis Afrikas. Ein guter Ausgangspunkt, ein logischer Start war für mich der Nature Guide – als Brücke vom Menschen zur Natur und seiner Ähnlichkeit zum Künstler.
“Kommst du?” fragte ich und Eike schaute mich mit dunklen, müden Augen freundlich an.
“ICH bin bereit”
“So willst du losgehen?“ entgegnete ich und schaute ihn mit leicht schiefem Kopf an.
“Ja, warum nicht?”
Eike zupfte etwas an seinem weißen T-Shirt, schaut auf seine lange schwarze enge Jeans und seine blank polierten Chelsea Lederstiefel herunter.
“Weil es heute ein warmer Tag werden soll und wir mindestens 10 Kilometer vor uns haben?” antwortete ich. “Wie wäre es mit einer kurzen Hose?”
“mhm…” grummelte Eike. “Ich hasse kurze Hosen. Da habe ich immer das Gefühl, dass ich so schnell dreckig werde.”
Eike hatte die Nacht auf meiner Schlafcouch verbracht, nachdem wir uns in einem sehr “hyggeligen” Restaurant mit ein paar Freunden getroffen hatten – und viel zu viele, viel zu teure Drinks zu uns genommen hatten. Wie immer nach solchen Abenden, war ich am Morgen danach viel zu früh aufgewacht und konnte nicht mehr schlafen. Doch diesmal trieb mich, neben dem angekündigten fabelhaften Wetter, auch noch etwas anderes aus dem Bett.
Die letzten Tage hatte ich die Früchte meines Kaufrausches “geerntet” und ein Paket nach dem anderen entgegen genommen. Auf der Treppe im Hausflur stapelten sich die letzten drei Tage so viele Pakete, dass abends immer ein regelrechter Berg entstanden war. Doch nun war fast alles da und ich hatte den gestrigen Tag damit verbracht, alle Pakete auszupacken, die Waren auf Vollständigkeit und Funktionstüchtigkeit zu überprüfen und dann die durch mich für gut befundenen Artikel in einen riesigen Karton zu werfen.
Der Karton war ehrlich gesagt schon etwas zuuu groß, doch für mich war es der perfekte Behälter für diesen Zweck, denn unter dem Firmennamen eines großen Outdoor-Ausrüsters prangte der Slogan “The Adventure Company” – Und um “Adventures” ging es mir ja bei der ganzen Unternehmung. Den Rest des Tages hatte ich nun damit verbracht, mein neues Objektiv mit selbsthaftender, camouflage-farbener Binden einzuwickeln und in meinen neuen Kamerarucksack alle notwendigen Gegenstände möglichst sinnvoll unterzubringen. Es dauerte etwas, bis ich die richtige Position für das riesige Objektiv gefunden hatte, da es, dank der gummierten Binden, nun nicht mehr wirklich in die dafür geschaffenen Fächer rutschen wollte. Mit einer “originalen” Neopren-Schutzhülle wäre es sicher einfacher, aber ich hatte einfach nicht eingesehen, 70 € für ein paar Streifen zusammengenähtes Neopren auszugeben. Genügend Schichten der gummierten Binden sollten auch diesen Zweck erfüllen. Nun war das Objektiv aber halt etwas widerspenstiger.
Neben dem Objektiv hatte ich ein Monstrum einer mintfarbenen 2,3 Liter Thermosflasche platziert, welche ich selbstverständlich direkt maximal mit kaltem Wasser gefüllt hatte. Zwei Tage soll diese Flasche das Wasser angenehm kalt halten können, versprach der Hersteller. Allein mit diesen beiden Sachen wurde dem Rucksack bereits 8 KG zugeführt. Dazu gab es nun noch ein kleineres Objektiv, zwei Bücher und ein Fernglas und später musste dann sicher noch etwas Proviant mit dazu.
“Fertig. Wir können los!” rief Eike, der sich spontan nun doch für eine hellblaue, kurze Stoffhose entschieden hatte.
Ich hievte meinen befüllten Rucksack mit einem kräftigen Schwung auf meinen Rücken und ging ruckartig in die Knie, um den Rucksack in die richtige Position zu “hüpfen”.
“Junger Vater, das Ding ist aber ganz schön schwer“, ächzte ich, während ich etwas wankend das Treppenhaus hinunterging und die Haustür hinter mir ins Schloss fiel.
Unser, oder besser mein Plan war es, das erste Mal das Handling der gesamten Ausrüstung, die ich für die Zeit in Südafrika benötigen würde, zu testen und den Körper auf die schon baldige, untypische Belastung vorzubereiten. Darum hatte ich mir eine Strecke an der nahe “Elbe” ausgesucht, die es uns ermöglichte, auch etwas abseits von asphaltierten Wegen zu wandern. Allerdings war es hier halt einfach nur flach, Berge sucht man in Hamburg vergeblich. Dafür gab es aber teilweise Sand. Auch anstrengend. Und natürlich würden wir auch nicht alleine sein. Bei so einem schönen Wetter waren die Wege an der Elbe oft hoch frequentiert und auch unsere “wildere” Strecke, die parallel zu dem asphaltierten Hauptweg verlief, wurde meistens von Hunden und deren Frauchen und Herrchen in Beschlag genommen. Diese Strecke war ich zwar schon einmal mit dem Rucksack gelaufen, allerdings hatte ich da noch nicht alle Ausrüstungsgegenstände für den Rucksack. Diesmal hatte ich alles dabei, war aber vor allem auch auf die Blicke der Anderen gespannt, denn wir mussten ein lustiges Bild abgeben:
Eike hatte, neben seinem weißen Shirt und der feinen, hellblauen Stoffhose, nun auch noch zu weißen Sneakern gewechselt und seine Augen hinter einer stylischen, schwarzen Ray-Ban Brille versteckt. Ich dagegen trug eine Beige Cargoshorts, ein schwarzes T-Shirt, eine matt-braune Base Cap, braune Einsatzstiefel, eine sportliche schwarze Sonnenbrille und natürlich meinen großen, grünen “taktischen” Kamerarucksack. Während Eike also die Rolle eines typischen Hamburger “Städters” übernahm, der vermutlich lieber einen Latte-Flat-White Macchiato in einem hippen Szenecafe schlürft, als sich die Schuhe mit Sand zu befüllen, glich ich eher einem “Prepper”, der sich in der Großstadt verirrt hatte und hier definitiv nicht hin gehört.
“Scheiß drauf, was die anderen sagen”, sagte Eike. “Es geht hier um Training, die Anderen sind uns egal”. Eike war mir schon seit vielen Jahren ein guter Freund, der mich immer motiviert bei meinen Projekten und Ideen unterstützte. Vor allem aber schätze ich seine Begeisterungsfähigkeit, die auch hier wieder unvermittelt eingesetzt hatte. Gerade noch voll verkatert, stapften wir beide nun also voller Tatendrang unserem ersten Ziel, einem schwimmenden Cafe auf dem Fluss, in fünf Kilometer Ferne entgegen, während die Sonne langsam ihre Kraft zu entfalten begann.
Raketenwerfer
Ich schraubte den Deckel der Thermoskanne ab und ließ das eiskalte Wasser in den Becher fließen. Wir hatten das Cafe erreicht, mussten zu unserem Bedauern allerdings feststellen, dass es dort keinen Kaffee für uns gab, da das Cafe erst in einer Stunde öffnete.
“Und jetzt?” fragte ich,“wollen wir zurück und zuhause einen Kaffee trinken?”
Wir hatten die fünf Kilometer erstaunlich gut hinter uns gebracht. Der Rucksack war am Anfang etwas ungewohnt gewesen, hatte aber trotz seiner Last nicht wirklich gestört. Ich musste zwar zu Beginn etwas gegen das Verlangen ankämpfen, unwillkürlich in eine leichte gebeugte Vorwärtsbewegung zu gehen, um dem Gewicht entgegenzuwirken – wodurch ich dann leichte Schmerzen im Nacken bekam. Doch letztendlich gewöhnte ich mich an den Rucksack und musste mich am Ende kaum noch daran erinnern, gerade zu gehen. Es war nicht nur “nicht schlimm”, es machte mittlerweile sogar richtig Spaß! Die Strecke war, anders als erwartet, menschenleer, die Sonne angenehm warm und die Sträucher und Bäume in vollen, hellgrünen Blattkleidern gehüllt. Die Vögel waren noch viel enthusiastischer als wir und frohlocken ihre vermeintliche Freude laut in die Welt hinein. Ein Heer von Insekten schwirrte durch Zweige und Büsche und allerlei Düfte kitzelten unsere Nasen. Mir war nicht nur dank der Sonne warm am Kopf, Rücken, Arme und Beine, sondern auch warm ums Herz und mir wurde wieder mal klar, wie gerne ich draußen in der Natur war.

“Von mir aus können wir auch weitergehen“, sagte Eike, dem es offensichtlich ähnlich erging.
“Wenn du magst, DU hast schließlich die Sneaker an“, entgegnete ich.
“Sollen wir dann auf dem asphaltierten Gehweg weiter gehen, oder am Strand?”
“Strand” sagte Eike.
Ich schaute ihn fragend an. Offensichtlich schien ihm Sand in den Sneakern doch nichts mehr auszumachen, vom “Dreck” ganz zu schweigen.
“Naaa…, ich bin ja jetzt eh schon dreckig”, entgegnete er auf meinen fragenden Blick, als ob er meine Gedanken gehört hatte.
Ich schraubte den Becher wieder auf die Kanne und verstaute das grüne Ungetüm in meinem Rucksack. Die Kanne glich in Farbe, Form und vor allem Größe eher einem Panzerprojektil, als einer Thermoskanne, aber immerhin hatte sich nun etwas Gewicht in unsere Bäuche verlagert. 2-3 Liter Wasser soll ich in meinem Rucksack transportieren können, so war die Anforderung von Bhejane Nature Training, der Organisation, die mich in Südafrika die nächsten Monate ausbilden sollte. Mit 2,3 Litern war dieses Monstrum die größte Thermoskanne, die ich finden konnte. Alternativ gab es noch die Trinkblasen aus Kunststoff, von denen mir allerdings Arne, ein guter Kumpel und versierter, selbsternannter Produkttester von allerlei Equipment, dringend abriet. “Zu schwer zu reinigen, ekliger Geschmack, warmes Wasser”. Also eine Thermoskanne.
Ich öffnete ein Bier, beobachtete von meinem Balkon weiter die geschäftigen Vögel in den großen Bäumen und massierte mir mit einer Hand den Nacken. Meine linker Nackenmuskel, der “Musculus trapezius”, hatte sich ein wenig verhärtet und schmerzte leicht, meine Beine, insbesondere Waden und hintere Oberschenkel waren schwer und ich war ganz schön erschöpft. 19,8 Kilometer hatte meine Smartwatch angezeigt, als wir am Nachmittag gegen 15:30 Uhr durchgeschwitzt und gut gelaunt auf der Einfahrt zu meiner Wohnung einbogen. Ich war stolz und sehr zufrieden. Bis auf die kleinen Wehwehchen hatte ich unsere spontane Tourenerweiterung und die ungewohnte Belastung durch den Rucksack sehr ordentlich weggesteckt. Die Wildnis Südafrikas konnte also kommen.
Fünf Wochen später saß ich wieder auf meinem Balkon und schlürfte diesmal Kaffee, während mir Deutschland spontan nochmal bei 30°C zeigte, dass es hier im Juni auch „warm“ ging. „Ja, hatte ich verstanden“.
Die letzten Wochen waren wie im Fluge vergangen und voll im Zeichen weiterer Vorbereitung gewesen. Ich musste mein Visum organisieren, weiteren Kram kaufen und immer schön fleißig trainieren – also wandern gehen. Meistens an dem nahegelegenen großen Fluss “Elbe” in Hamburg, aber auch die Ostsee bei Flensburg, das Bürener Land bei Paderborn oder die Lüneburger Heide wurden von mir besucht. 20 Kilometer waren dabei nun keine Seltenheit mehr, sondern Standard geworden und ich fühlte, wie ich stärker wurde.
Mittlerweile war alles organisiert: Die letzte Wäsche hing zum Trocknen auf dem glühenden Balkon, der ganze restliche Kram lag verteilt in der Wohnung und wartete darauf, eingepackt zu werden. “Aber dafür habe ich ja morgen den ganzen Tag Zeit“, dachte ich und schlürfe genüsslich an meinem heißen, schokoladig duftenden Kaffee.
Auf einen Kaffee in Dubai
Nach knapp drei Stunden Dämmerschlaf und insgesamt knapp sechs Stunden Flugzeit stolperte ich gegen Um 05:30 Uhr in den Flughafen von Dubai. Draußen, auf dem Rollfeld war es bereits jetzt schon 30 Grad, doch der Flughafen war Gott sei Dank gut klimatisiert.
Der erste Schritt war gemacht! Jetzt erstmal nen großen Kaffee! Als ich mit dem warmen, vertraut duftenden Getränk an einem Tisch im “Food-Corner” Platz nahm, kam es langsam, ganz langsam bei mir an: Es geht loooos! Die Vorfreude brach nun aus mir heraus und überrumpelte meinen stark übermüdeten Geist. Glücklich blinzele ich mit kleinen Augen auf das, von den Sonnenstrahlen bereits hell erleuchtete, golden schimmernde Rollfeld und auf die emsig startenden und landenden Flugzeuge. Nach einem kurzen Stopp würde es auch für mich weiter nach Südafrika, Durban gehen.








Der gestrige Tag der Abreise war doch wesentlich stressiger gewesen, als ich geplant hatte. Ich hatte zwar schon die ganzen letzten Wochen organisiert, geplant und Kram angeschafft – doch es war alles, teils ohne es auch nur auszupacken, in eine große Kiste gewandert. Also hieß es am Tag der Abreise erstmal sortieren, auspacken und wieder einpacken – und dabei bin ich irgendwie in ein Zeitvakuum geraten. Die Folge war, dass ich, dank der 33 Grad nur in Shorts bekleidet, mit zunehmender Tageszeit wie voneiner Tarantel gestochen durch die überhitzte Wohnung gerast bin und dabei Unmengen an Schweiß produziert habe. “Schwubs“ war es dann 18:30 Uhr.

Schnell nochmal frisch machen und um 19:15 Uhr stand ich, mit zwei maximal gepackten Koffern und einem extrem überladenen Handgepäck-Rucksack im Flur und warf einen letzten Blick in die Wohnung. „Dann wohl bis nächstes Jahr“ sagte ich laut und plötzlich traf mich die Schwermut, als ich meine damalige Freundin Franzi dort mit ihren großen braunen Augen stehen sah. Ich nahm sie in den Arm und konnte meine Tränen nun nicht mehr zurück halten. Nicht, weil ich die Wohnung für sechs Monate nicht sah, sondern weil ich Franzi für ein halbes Jahr alleine in Deutschland zurückließ. Eine Probe, auch für unsere Beziehung – die dies tatsächlich nicht überleben sollte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Am Flughafen stellte ich dann final fest, dass mein Handgepäck doppelt so schwer war wie erlaubt. 14 KG! “Das kommt davon, wenn man die Akkus nicht ins Aufgabegepäck geben darf” grummelte ich und überlegte mir schon diverse Möglichkeiten, wie ich mein Handgepäck reduzieren konnte: Powerbanks in die Hosentasche, Kamera um den Hals, Laptop in die Hand. Am Check-In kam dann der Schock. Nicht wegen dem Handgepäck. Das interessierte tatsächlich niemanden. Nein, weil ich länger als drei Monate in Südafrika bleiben wollte. In diesem Fall, so lernte ich nun, produziert “das Systemen” automatisch eine Sperre und es braucht einen Supervisor, um diese wieder aufzuheben. Leider war dieser aber beschäftigt, sodass ich dann doch der Letzte war, der endlich sein Gepäck aufgeben konnte – während alle anderen Gepäckbänder bereits ausgeschaltet worden waren. Langsam wurde ich nervös, denn anschließend musste ich ja auch noch durch die Sicherheits- und Passkontrolle.
Das Boarding wurde 21:10 Uhr geschlossen – Ich betrat das Flugzeug, kurzatmig und wieder komplett nassgeschwitzt, um 21:07 Uhr.
Geschafft! Das Abenteuer konnte beginnen.