„Dürfte ich mich vielleicht zu Ihnen setzen?” fragte ich höflich und mit einem Augenzwinkern, als ich mit meinem Frühstück vor Graham stand. Graham saß, zusammengekauert, auf einem großen Holzblock vor der erkalteten Feuerstelle. Mit der Frühstücksschüssel auf seinem Schoß, wirkte dies sehr friedlich und ehrlich, gab aber alles andere als einen gehobenen Eindruck wieder – provozierte mich aber so zu der übertrieben höflichen Frage Art.
Graham hob den Kopf und begann freundlich zu grinsen. „Klar, setzt dich“ erwiderte er und ruckelte, als Zeichen seiner Zustimmung, seinen Holzblock einige Millimeter zur Seite. Ich stellte meine Blechschüssel mit dem warmen Porridge auf den Rand der Feuerstelle und ließ mich auf einen fast ebenen Holzblock fallen.
Hier draußen war es viel besser, als in dem lauten, geschäftigen Essensaal. Hier konnte ich beim Essen die für mich außergewöhnliche, großartige Aussicht genießen und dabei die sanften morgendlichen Sonnenstrahlen auf Haut spüren. Ich fühlte mich hier irgendwie mehr „da“. Außerdem war es hier ruhiger. Statt der guten, aber aufgedrehten Stimmung der Kids, ihrem Geschrei, Gejohle und der lauten Musik aus den kleinen Musikboxen, gab es hier draußen nur den „Sound der Natur“ – und eine leichte Brise um die Nase. Warum war ich da eigentlich nicht früher draufgekommen? Vermutlich, weil ich mich nicht direkt am Anfang schon als Einzelgänger etablieren wollte. Doch es war gar nicht so einfach für mich, guten Kontakt mit den Anderen aufzubauen – zu groß war die Alterslücke, zu unterschiedlich die Themen und Lebensschwerpunkte.
Anders sah es bei Graham aus. Ich war nicht nur vom Alter her wesentlich näher an ihm als an den Kids dran, sondern auch in der Art zu Denken und die Art, die Umgebung bewusst wahrzunehmen und zu genießen. Doch zu dem Zeitpunkt, hier am Montagmorgen an der kalten Feuerstelle, wusste ich das alles noch nicht. Hier genoss ich erstmal mein Rührei mit pikanten Baked Beans, bei angenehmen warmen Sonnenstrahlen und Vogelgezwitscher.
„Bist du jetzt eigentlich länger hier?“ Begann ich ein Gespräch, nachdem ich gerade einen großen Bissen Rührei runtergeschluckt hatte.
Graham, ein Natur Guide mit über fünfzehn Jahren Erfahrung im Guiding Business, war erst vorletzte Woche im Bhejane Camp angekommen und hatte direkt Teile der Trails Guide Ausbildung übernommen.
„Ich hoffe“ entgegnet er, etwas gequält-grinsend.
„Für immer?“
„Mal sehen“
„Keine Lust mehr aufs Guiden?“
„Joa…es ist so…“ holte Graham aus und schien nur auf die Frage gewartet zu haben:
„Die meisten Safari-Gäste interessieren ich nicht so sehr für all die Informationen, die man ihnen gibt. Das war für mich sehr anstrengend und ich mochte das nicht. Wir haben dann mal einen Test gemacht: Einigen Gruppe haben wir wirklich ALLES erzählt, was wir zu den Begegnungen wussten. Wir haben uns richtig ins Zeug geworfen und doch gab oft nicht mal ein wirkliches Trinkgeld. Dann haben wir anderen Gruppen einfach mal bewusst die Tiere nur gezeigt: Löwe. Da!
Diese Gruppen waren am Ende so begeistert wie die anderen – aber eben auch nicht weniger. Also, die Infos kann man sich bei den meisten Gästen leider sparen. Das ist aber nicht meine Art. Ich teile gerne mein Wissen. Ich liebe es, anderen die Natur näher zu bringen und ich würde gerne einen Impact haben. Hier, mit den Studierenden, habe ich das Gefühl, das ich das habe. Hier kommen Nachfragen. Die Menschen hier sind interessiert und wollen mehr, wollen alles wissen. Das ist schön.“
Das verstehe ich. Ich kann mir vorstellen, dass die Guiding-Industrie ein echt hartes Pflaster ist und es im Endeffekt auch nur darum geht, möglichst viele zahlende Gäste zu haben.
„Wenn man es runter bricht, geht es beim Guiden mit Gästen also um Entertainment?“ fragte ich und Graham nickte eifrig mit vollem Mund.
„Für viel Guides ist das super fein“ führte er weiter aus, nachdem er runtergeschluckt hatte. „Viele gehen in dieser „Entertainer Rolle“ auch total auf und das ist wunderbar. Aber eben nicht für mich. Ich würde gerne einen Impact haben und mein Wissen teilen.“ bekräftigt er nochmal.
„Mhm..ein Impact wird aber bei vielen der Gäste allein durch die Safari an sich, das Erleben der Tiere in der Wildnis entstanden sein. So eine Safari ist schon was Besonderes und für die meisten eben nicht normal. Da reicht manchmal eben einfach die Begegnung aus“ erwiderte ich und dachte an meine eigene erste Safari und wie beeindruckt ich damals gewesen war. Allein durch die Eindrücke war ich total „erfüllt“ gewesen. Mein Wissenshunger kam dagegen erst bei den folgenden Touren auf.
Wir unterhielten uns weiter und kamen im weiteren Gesprächsverlauf irgendwie auf Bienen und ich erfuhr, dass Graham seit letzter Woche offiziell ein eigenes Business angemeldet hatte – ein „Bienen Business“. Vor einigen Jahren war er auf einen Bericht gestoßen, in dem Bienen von Bauern dafür genutzt werden, ihre Felder vor großen Tieren wir wie Elefanten zu schützen.
„Elefanten hassen Bienen“ erklärte mit Graham. „Sie haben regelrecht Angst vor ihnen und sogar einen ganz eigenen Laut, der anderen Elefanten in der Umgebung vor Bienen warnt. Da habe ich mir gedacht, was für die Bauern funktioniert, könnte doch auch für die Reservate genutzt werden?!
Jetzt fangen die Menschen an, die Elefanten dafür zu verteufeln. Dabei ist dieses Verhalten eben ganz natürlich und das Problem im Kern wieder durch den Menschen selbst verschuldet. Ich habe mir gedacht, wenn ich die Bienen in die Bäume hänge und diese dadurch schütze, dann bleibt das Ökosystem der Reservate intakt – und der Ruf der Elefanten“ führte Graham mit leuchtenden Augen aus und hatte ganz vergessen, weiter zu essen. Ich dagegen hatte mein Rührei und die Backed Beans bereits vertilgt und lauschte nun aufmerksam, mit einem gesüßten Schwarzen Tee in der Hand, Grahams Erzählungen.
Ich erfuhr, dass er mittlerweile zwanzig Bienenvölker über ein einziges Reservat verteilt hatte und mit dem Ergebnis sehr zufrieden war. Es funktionierte! Bienen als „Bodyguards der Bäume“ funktionierte! Die letzten Jahre hatte Graham nun damit verbracht, seine Idee zu verfeinern und allerlei Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen – dies alles neben bei, neben seiner Vollzeittätigkeit als Guide. Als dann alles lief, war er an das Reservat herangetreten und hatte um finanzielle Anerkennung gebeten – die ihm versagt wurde. „Ich sei hier als Guide angestellt. Nicht mehr, hatten sie gesagt. Dabei hatten sie fleißig Werbung mit meinem Konzept gemacht und durch meine Arbeit sogar einen Preis für Nachhaltigkeit gewonnen. Doch mehr Geld, das wollten sie mir nicht geben. Also habe ich gekündigt, mein eigenes Business in die Wege geleitet – und jetzt bin ich hier.“ Beendete Graham seine Erzählung und widmet sich seinem, nun kaltem Frühstück.
Ich war begeistert. Nicht nur bewies diese Geschichte mal wieder, dass vermeintlich schlechte Umstände oft etwas Gutes bewirken und Fortschritt initiieren. Auch sah ich hier ganz viel Potential für meine eigenen Werke. „Die kleinen Bienen, als Beschützer vor den größten Landsäugetieren, den Elefanten. Ein spannendes Thema für meine Kunst. Da muss ich dranbleiben“ dachte ich aufgeregt und bekam ebenfalls ein leichtes Leuchten in meinen Augen.

Die Elefanten sind so genannte „Key Stones Specis“. Das bedeutet, dass sie allein durch ihre natürliche Lebensweise, ihre Umwelt formen und so anderen Arten neue Lebensräume erschaffen. Beim Nashorn, auch ein „Key Stones Specis“, sind es Wasserlöcher, die mit der Zeit durch das Suhlen entstehen. Elefanten dagegen lieben es, einfacher ganze Bäume umzuschmeißen um so einfacher an die Blätter und an die schmackhaften Wurzeln zu kommen. Natürlicherweise vollziehen sie aber dabei lange Wanderungen durch große Teile Afrikas. Da stört ein umgeworfener und dann eben toter Baum hier und da nicht wirklich. Im Gegenteil, er bildet einen Lebensraum für andere Arten wie Vögel, Insekten oder Skorpione. In einem „kleinen“ Reservat wird aber, nach einer gewissen Zeit, der Schaden an den Bäumen zu massiv. Bestimmte Baumarten, wie beispielswiese der Marula, der Liebling der Elefanten, sind in einigen Reservaten irgendwann komplett verschwunden - mit Auswirkung auf das restliche Ökosystem.
Noch während wir uns weiter unterhielten, stupste mich plötzlich etwas von der Seite an meinem Knie an. Ich zuckte zusammen und schaute in eine „freundliche“ Schnauze eines, eigentlich wilden Warthogs. „Ja, die sind hier sehr zutraulich, besonders dieser hier“ entgegnet mir Tara, die die Tiere offensichtlich schon die ganze Zeit beobachtet hatte. „Lustig. Lustige Tiere“ dachte ich und Graham war auch begeistert. „Das hier ist schon was Besonderes. Dieser Kontakt hier mit der Natur. Oft sind die Camps eingezäunt – aus gutem Grund. Aber so kommen dann eben auch keine harmlosen Tiere hinein. Das hier – so sollte es sein. Leben mit der Natur zusammen“ sagte Graham und versuchte eines der Warthogs anzulocken.



Routine
Der Schwerpunkt dieser Woche stand unter dem Zeichen des „Rifle Handlings“, praktisch und Theoretisch. Am Freitag war dafür ein Test angesetzt und Graham gibt sein Bestes, um uns vormittags theoretisch und nachmittags praktisch effektiv vorzubereiten. Doch etwas Eigenleistung war ebenso notwendig und da ich ein „Gehlerner“ bin, brachte ich nun täglich fünfzehn bis zwanzig Kilometer Strecke hinter mir und lernte so, ganz nebenbei, das wunderschöne Kuleni Game Reserve ausführlich kennen. Es gab wahrlich schlimmere Orte für „Lernspaziergänge“!
Mein Gefühl, angekommen zu sein, wurde nunmehr und mehr durch neue Routinen verstärkt:
Ich aß mein Frühstück und Mittag nun nur noch draußen, abseits der Kids und meist gemeinsam mit Graham. Dabei redeten wir oft über alle möglichen großen und kleinen Themen wie unsere eigene „Wichtigkeit“ im Verhältnis zum Universum, Anti-Poachern oder Kunst. Wir mochten uns und waren auf einer sehr ähnlichen Wellenlänge.
Graham war ein gerade, ehrlicher und respektvoller „Kerl“, der wirklich in sich zu ruhen schien und auf mich den Eindruck machte, tief im Inneren ein zufriedener Mensch zu sein. Er war 32 Jahre alt, sah allerdings gut zehn Jahre älter aus. „Weißheit“ gab Graham mit einem Augenzwinkern und einem breiten Grinsen sein Kommentar dazu ab. Ich glaube eher, das ständige Aussetzen mit den Elementen, insbesondere der Sonne und das Leben mit und in der Natur hatten Spuren hinterlassen, physisch und auf das Verhalten.


Für meine Schreibtischarbeit hatte ich einen der Tische im zweiten „kleinen“ Lehrsaal für mich entdeckt. Mit Blick über den Innenhof auf den Horizont ließ es sich hier wirklich episch arbeiten und großartige Gedanken entwickeln. Aber selbst stumpfe Fleißarbeit, wie das Erstellen von digitalen Lernkarten, wurde unter diesen Umständen zu einer angenehmen Aufgabe. Vor allem aber hatte ich hier meine Ruhe, denn merkwürdigerweise hatte noch kein anderer diesen Arbeitsplatz für sich entdeckt. Es war also wahrlich „mein“ Schreibtisch.




Abends genoss ich regelmäßig die afrikanischen Sonnenuntergänge auf „meiner“ Veranda, vor „meinem“ Schreibtisch. „Afrikanisch“. Das bedeutete, dass die Sonne wie eine riesige, glühende Orange langsam zum Horizont wanderte und dabei den ganzen Himmel in orange-rot-pinke und später lila Farben hüllte. „Schöne“ Sonnenuntergänge hatte ich schon viele gesehen – doch diese hier waren echt besonders. So besonders, dass eigentlich keine Beschreibung und kein Foto an dieses Phänomen herankommt.
Die Duschräume nutzte ich nun nur noch nach 20:00 Uhr. Dann waren alle mit ihrer Körperhygiene durch und ich hatte den „vollen“ Wasserdruck und eine stabile Wassertemperatur – ganz alleine für mich allein. „Antizyklisch ist doch immer wieder der beste Weg“.
Hluhluwe-iMfolozi Game Reserve
„Kommst du nicht mit? Willst du dir nichts holen?“
Ich war gerade auf dem Weg zur Kaffeebar, um mir einen leckeren Kaffee Hilltop Camp zu holen, welches in der Mitte des staatlich geführten iMfolozi Game Reserve lag, als ich Chops zurückgelassen am Game Viewer stehen sah.
„Nein nein, ich habe hier Wasser“ sagte er, wie immer höflich zurückhaltend lächelnd und zeigte auf seine Wasserflasche, die halbleer auf dem Sitz lag.
Chops war ein sehr ruhiger, freundlicher junger Zuluaner und ich verstand mich gut mit ihm.
„Magst du keinen Kaffee?“ kam es spontan aus mir heraus, doch noch beim Aussprechen ahnte ich, dass dies nicht der Grund war, warum Chops beim Auto und seinem Wasser blieb.
„Weißt du was, ich gebe dir einen Kaffee aus. Willst du einen?“ fragte ich Chops und winkte ihn freundlich einladend zu mir.
„Doch doch, sehr gerne! Danke Kirki“.
Gemeinsam betraten wir die extrem saubere und edel wirkende Empfangshalle und steuerten auf den Restaurant Bereich zu, während ich Chops noch das Geld für den Kaffee überreichte, damit er sich selber einen Kaffee bestellen konnte. Ich wusste noch sehr genau, wie es sich anfühlt, wenn man kein Geld hat und er sollte sich nicht noch mehr bedürftig fühlen.
Heute war wieder Safari Tag und gegen 06:15 Uhr wurden wir von Graham in einem Minivan abgeholt, um dann doch, nach zehn Minuten, auf einenoffenen Game Viewer umzusteigen. Gute zwanzig Minuten ruckelten wir wieder durch die Kühle Morgenluft und ich freute mich. „Das wird ein toller Tag!“.
Direkt nach dem Haupttor trafen wir auch schon auf eine große Herde Büffel von ungefähr fünfzig Tieren. Jung und Alt, Kühe wie Bullen und wie immer mit dabei, diesmal aber besonders ansehnlich: Die Madenhacker. Nach den Büffeln trafen wir auf drei Elefantenbullen, die durch das Gestrüpp steiften und damit dann auch ein Tagestrend eingeläutet hatten: Büffel und Elefanten waren wohl heute das Thema und wir sahen immer wieder Unmengen der gemütlichen Artgenossen.
Die meisten Anderen waren allerdings verrückt nach Vögeln und Graham hielt bei jedem noch so kleinen Vogel an, um diesen vom Auto aus zu begutachten. Ich fand das Wissen um die Vögel, wie immer, sehr beeindruckend, nur mich selbst hatte das „Vogelfieber“ noch nicht gepackt. Da es für mich sehr anstrengend wurde, bei jedem Stopp irgendeinen, mir unbekannten Vogel zu suchen, klinkte ich mich irgendwann aus, steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren und genoss nun einfach die wunderschöne Umgebung bei einem guten Soundtrack.
Ich war gut drauf und ließ mir die kräftige, warme Briese um die Nase wehen, als sich vor uns wieder mal eine phänomenale Aussicht öffnete. Dieser Moment war einfach perfekt.
Ich schaute auf meine Kamera und ließ das große Objektiv von einer Hand zur anderen wandern. Mittlerweile kam ich mit der Kamera und den Objektiven sehr gut zurecht. Das war vor einigen Wochen noch ganz anders gewesen. Nun lief vieles ganz automatisch ab, ohne großes Nachdenken und auch die Fotos wurden immer besser – Immer beeindruckender. Letzteres lag aber nicht an meinen Fotografie-Fertigkeiten, sondern an den beeindruckenden Motiven an sich: Elefanten, Büffel, Löwen, Nashörner, Giraffen, Zebras – Alle in Nahaufnahmen. Es war wunderbar!
Fever Tea
„Was ist das?“, fragte ich Chops, der mir einen Zweig mit duftenden Blättern entgegenhielt.
„Fever Tea!“
„Fever Tea?! Wo hast du den denn her? Hier vom Campgelände?!“ rief ich freudig und roch an den würzigen Blättern. Es war der nächste Tag, wir waren wieder im Kuleni Camp und ich saß mal wieder an meinem Panorama-Schreibtisch, als Cops zu mir gekommen war.
„Ja“ antwortet Chops, „nicht weit von hier. Komm mit, dann zeige ich dir den Busch“.
„Ein Busch für einen Kaffee“, dachte ich grinsend, klappte meinen Laptop zu und folgte Chops.
„Warum eigentlich CHOPS?“
„Keine Ahnung. Die anderen nennen mich so. Ich heiße eigentlich Njabulo.“
„Ernsthaft? Warum nennen sie dich nicht Njabulo?“
„Ist ihnen wohl zu lang“ entgegnet Njabulo, wie immer, freundlich lächelnd.
Der „Fever Tea“ war ein „Wunder“-Busch, von dem mir Graham erzählt hatte und welchen ich seit Tagen zu finden hoffte! Ein Sud der Blätter soll ein wirksames Repellent gegen Zecken und Mücken sein, aber er war auch bekömmlich als Tee oder Inhalation bei Erkältung.
„Das Beste aber ist, dass er nicht nur sehr effektiv gegen die Biester hilft, sondern auch nicht von den anderen Tieren als „fremd“ wahrgenommen wird. Dies ist ja oft der Fall bei den chemischen Mitteln, die den wilden Tieren schon Kilometerweit im Voraus mitteilen, dass hier gleich ein eingesprühter Mensch vorbeikommt“, hatte mir Graham erklärt, als wir den Busch im iMfolozi Park entdeckt hatten. Dies war großartig und ich wollte es unbedingt ausprobieren.
Es war Abend geworden und meine Fußinnenseiten begannen plötzlich stark zu jucken. „Nicht ernsthaft“ dachte ich und musste mich stark zurückhalten, nicht zu kratzen. Ich hatte die letzten fünfzehn Minuten nur mit meiner Stirnlampe im dunkel auf der Veranda meiner Hütte verbracht, um die Blätter der frisch gesammelten Fever Tea-Zweige abzuzupfen. Daraus wollte ich dann den Sud herstellen, um ich gegen Zecken und Mücken zu schützen. Der würzige Duft der Blätter hatte sich dabei um mich gelegt und meinen Oberkörper so bereits vor Stichen geschützt – nur offensichtlich meine Füße nicht. „Schon irgendwie ironisch. Da werde ich, beim abrupfen eben der Blätter, die mich vor Stichen schützen sollen, komplett zerstochen“ dachte ich genervt.
Guter Kaffee
Als ich am Samstagmorgen gegen 08:15 Uhr das Delishh betrat, saß Lisa, die Managerin, auf dem Boden und bemalt eine Tafel mit dem heutigen Angebot. Das Lokal war, wie immer um diese Zeit, komplett leer und ich wollte gerade zur Terrasse, zu meinem Stammplatz durchgehen, als ich von einer älteren Dame angesprochen werde.
„Was kann ich dir bringen?“
Ich hatte sie noch nie gesehen, aber anhand der Frage und des sehr selbstbewussten Habitus, vermutete ich, dass sie hier was zu sagen hatte.
„Einen Cappuccino bitte“
„Wo kommst du her?“ fragt die Frau, nachdem sie meine Bestellung zur Theke gerufen hatte.
„Deutschland“
„Ah, genießt du den Sommer ja“
„Hum… hier ist doch gerade Winter?! “
„Ja, aber in Deutschland ist doch gerade Sommer, mit ähnlichen Temperaturen wie hier“
„Stimmt“ sagte ich grinsend. Die Frau schien sich auszukennen.
„In unserem Sommer willst du nicht hier sein“ setzt die Frau weiter an und lacht dabei – irgendwie schon fast „bedrohlich“.
„Bist du zurzeit im Kuleni?“
„Ja genau. Bei Bhjane“
„Ah, arbeitest du da?“
„Nein“, entgegne ich etwas verlegen. „Ich bin dort Student“. Offensichtlich sah ich aber nicht wie einer aus.
„Oh, dann wohnst du in einer dieser kleinen Holzhütten?“
„Ja genau“
„Hast du eine Klimaanlage?”
“Ne, ist alles sehr einfach dort“
„Dann solltest du im Sommer umziehen“ erwiderte die Frau wieder, mit diesem fiesen Lachen.
Langsam bekam ich vor dem Sommer im KwaZulu-Land Angst. Ich hatte schon von einigen anderen gehört, dass die Temperaturen hier extrem werden können. „Mehr als 40 Grad“ hatte Tom gesagt. „Logisch! Wenn der WINTER hier schon bis zu 32 Grad bietet, ist das nur logisch“, hatte ich damals, vielleicht etwas naiv, gedacht.
Freundlich lächelnd begrüßte mich auch Ntombi und stellte den herrlich duftenden Kaffee vor mir auf den Tisch ab. Wir kannten uns mittlerweile und auch der wochenendliche Spaziergang zum Delishh war eine, für mich sehr wichtige Routine geworden. Hier versorgte ich mich Samstag- und Sonntagmorgens mit frischem Kaffee, lud meine „Zivilisations-Batterie“ wieder auf und befriedige mein „Unabhängigkeitsbedürfnis“ – zumindest etwas.
„Danke Ntombi, den Kaffee kann ich gut gebrauchen, denn morgen geht’s wieder für eine Woche wieder in die Wildnis“. Ich freute mich drauf!