no. 11 – die ganz normale wildnis | wildnis woche II

Ein tiefes, gewaltiges und langsames Krachen durchbrach die idyllische, goldene Morgenstimmung. Es kam aus dem Tal unter uns und ließ uns erahnen: Hier war pure Kraft am Arbeiten.

Gemütlich aber stetig schob sich eine Kolonne der grauen, großen Tiere durch das dichte Gestrüpp. Wir setzten uns in das trockene, hohe, gelbe Gras und schauten den in etwa 200 Metern entfernten Elefanten unbemerkt beim friedlichen Frühstücken zu.

Der Elefant. Mit bis zu 6000 Kilogramm und einer Schulterhöhe bis zu vier Metern, ist er das größte und schwerste Landsäugetier auf unserem Planeten. Um an die saftigen Zweige der Baumkronen, oder die nahrhaften Wurzeln zu kommen, kippen Elefantenbullen regelmäßig ganze Bäume um oder brechen sie in der Mitte einfach entzwei. Ohne große Bewegungen, ohne viel Momentum oder Beschleunigungsenergie. Nur durch die pure Muskelkraft und das Gewicht von knapp zweieinhalb Mercedes G-Klassen. Einfach ganz langsam und stetig. Knaaaaaaaaaaaaaarrrrrrrrk!

Knapp zwanzig Tiere, große und kleine, bahnten sich, gemütlich “grumpfend” und begleitet vom langsamen Knacken der Büsche und Zweige, stoisch ihren Weg durch das schmale, dunkelgrüne Tal. Einige blieben kurz stehen und reckten ihren Rüssel, wie einen Schnorchel, in die Luft. “Sie riechen und versuchen Witterung aufzunehmen“, erklärte uns Dylan flüsternd, der selbst entspannt an einem kleinen Baum lehnte. Die meisten der Elefanten aber trotten gemütlich weiter und langsam schlängelt sich die Kolonne den nächsten Hügel hoch.

Die Bäume stoßen, sobald an ihnen gefressen wird, Bitterstoffe, „Tannins“ aus und kommunizieren den „Angriff“ an die anderen Bäume in der Umgebung. Diese stoßen dann auch sofort Bitterstoffe aus, sodass die Elefanten weiterziehen müssen, da die Blätter dann ungenießbar werden. „Sofort“ ist im Leben eines Baumes natürlich relativ. Die Elefanten haben daher knapp 15-20 Minuten Zeit, bevor das erste Blatt bitter wird. Bis dahin kann viel vertilgt werden.

Doch irgendwann war auch der letzte Elefant hinter der Kuppel des Hügels verschwunden und es wurde wieder ganz still im Tal. „Busch still“. Denn überall zirpte, klickte und klopfte es und Heerscharen von Vögel trällerten ihre Lied im Kanon. Wir blieben noch ein wenig und genoßen die Atmosphäre. Langsam wurde nun auch die Sonne endlich wärmer, sodass ich meine Fleecejacke im Rucksack verstauen konnte und meinen leichten Stoffhut aufsetzen musste, als plötzlich eine “sehr laute Motorsäge ein sehr raues Holzstück” am Ende des Tals “zersägte”. “Leopard” flüstert Dylan und drückte sich dynamisch vom Baum ab.

Die zweite “Wildniswoche” war geprägt von Elefanten-Begegnungen und immer wieder liefen uns diese gewaltigen, grauen Dickhäuter über den Weg. Elefanten – und Büffel. Hatten wir in der ersten Wildniswoche lediglich vereinzelte Tiere antreffen können, bevölkerten diesmal große Herden von fünfzig bis hundert Tieren die Busch-, Wiesen- und Schilflandschaften. Neben der Begegnung am Dienstagmorgen, die allein durch das laute Krachen des umgeworfenen, großen Baumes einmal mehr verdeutlichte, wie kräftig diese Tiere waren, beeindruckte mich vor allem eine Begegnung am Mittwochnachmittag:

Diesmal standen wir nicht auf einem Hügel und hatten, im sicheren Abstand, eine wunderbare Draufsicht. Diesmal waren wir mittendrin! Alles begann, als wir uns mal wieder durch eine dichte Buschlandschaft schlängelten und eigentlich auf der Suche nach einem Nashorn waren. Zumindest verrieten und die Spuren im Sand und die Dunghaufen, dass hier reger Betrieb der pummelig wirkenden, aber sehr flinken Tiere sein musste.

Tatsächlich hörten wir plötzlich, in ca. dreißig Meter Entfernung, ein Knacken, gefolgt von einer grauen Erhebung, kurz über dem Busch! Ein White Rhino?

“Ein Elefant“ deutet uns Dylan mittels Handzeichen an, indem er seine Handfläche aufgespreizte, hinter seinem Ohr anlegte und leicht wackelte. Ja, das war toll, aber tatsächlich war ich ein wenig “over Elephant”, hatten wir doch mittlerweile wirklich viele gesehen. Was dann folgte, hatte ich aber so noch nicht erlebt:

Nach dem ersten, offensichtlich jungen Elefanten folgte ein weiterer. Und ein weiterer. Und ein weiterer! Es hörte gar nicht mehr auf! Eine riesige Herde Elefanten zog unvermittelt und ganz gemütlich an uns, in circa dreißig Metern Entfernung vorbei. Anders als die Herde am Dienstagmorgen, hatte sich diese Herde bisher weitgehend lautlos durch den Busch angenähert. Doch damit war es nun vorbei. Die Herde schlug zweimal einen Bogen um uns und eine nicht enden wollende Maße an Elefanten trottete nun in einem Halbkreis um uns herum, während wir regungslos in der Mitte standen und uns immer kleiner fühlten.

“Was machen wir denn, wenn die Herde nun den Bogen vollendet und uns in der Mitte einschließt und uns dann entdeckt?” Schoss es mir in den Kopf, während wir komplett umgeben von knackenden, schmatzenden und tief brummenden Geräuschen waren. Gerade das tiefe Brummen war einerseits entspannend und gemütlich, andererseits auch bedrohlich und furchteinflößend, doch bis jetzt hatte uns noch keines der Tiere wahrgenommen – oder dies angezeigt.

Wir waren alle mucksmäuschenstill. Keiner bewegte sich und einige trauten sich sogar nicht mal, richtig zu atmen. Ich hatte noch versucht, ein paar Fotos mit der Kamera zu schießen, aber erstens waren die Tiere zu nah dran und zweitens verwirrten die Zweige der Büsche den Autofokus so dermaßen, dass ich kein scharfes Bild hinbekam. Also ließ ich die Kamera einfach langsam sinken und genoss die Situation, die Präsenz, der schieren, eindrucksvollen Stärke.

Die zweite “Trails Woche” war wieder sehr beeindruckend gewesen. Beeindruckend von Farben, Flora, Fauna, Erlebnissen und auch Entwicklung. Meine Begeisterung über die Eindrücke war, trotz einer gewissen Routine, immer noch hoch und liebend gerne würde ich nun abermals bunte Wortbilder zeichnen, doch dies wäre dann womöglich etwas repetitiv.

Auch die allgemeinen Abläufe waren diese Woche repetitiv. Als “Train” von bis zu vierzehn Personen zogen wir ab Sonnenaufgang durch die Landschaft. Von Hügel zu Hügel und Plateau zu Plateau. Immer auf der Suche nach einem der Big Five. Der “Kleinkram”, der mich auch brennend interessierte, war mal wieder Nebensache. Es ging erneut darum, die Liste voll zu bekommen. Die nötigen zehn “Encounter” hatten wir schon, nun mussten noch einge Stunden generiert werden. Doch Dylan hatte eine Überraschung für mich parat: Im NQF2 Kurz-Kurs, den ich später auch absolvieren wollte, würde ich wieder hierherkommen und DANN ginge es überwiegend um den “Kleinkram”.

Der Wechsel der Landschaft während der Touren war oft mannigfaltig. Es ging mal über freie, steinige, irgendwie surreale, tote „Mond“ Ebenen mit vertrockneten Baumgerippen. Mal durchstreifen wir gelbes, trockenes Grasland und dichtes, mannshohes gelb-grünes Schilf. Wir querten trockene Flussläufe und quetschen uns immer wieder durch dichtes, grün-braunes Busch- oder silbern-Rotes Dornenland. Die überwiegend matt-gedeckt Farben variierten von Rot zu Gelb, Braun zu Grau-Schwarz und dunklem, bis “hell oliven” Grün.

Die durch uns erzeugte Geräuschkulisse, die gerade im Gestrüpp erzeugt wurde, war, obwohl nicht geredet wurde, meiner Empfindung nach enorm. Knacken, klackern, stolpern, husten, knistern. Es war alles dabei. Dass unsere riesige Gruppe überhaupt Tiere zu Gesicht bekam, war für mich, gelinde gesagt, bemerkenswert. Doch das Ergebnis am Ende der Woche war gar nicht so schlecht:

In 30 Stunden und nach 43 Kilometern konnten wir 23 qualifizierte “Encounters”, also Tierbegegnungen, in einem gewissen Maximalabstand, in unsere Logbücher eintragen. Damit kam ich insgesamt auf 63 Stunden und 36 Tierbegegnungen und hatten damit alle praktischen Anforderungen für den Apprentice Trails Guide erfüllt.

Neben den dominierenden Elefanten und Büffeln trafen wir auf jede Menge Impala, Nyala Waterbucks, Wilde Beast, Zebras und auch einige Nashörner.

Unter freiem Himmel

Das Highlight war wieder der “Sleep Out” unter freiem Himmel, mit Blick auf einen breiten Fluss. Sterne konnten wir diesmal leider kaum welche sehen, da das Wetter insgesamt eher bedeckt war und selten die 25 Grad Marke knackte. Zum Wandern, gerade in hügeliger Umgebung, war das gar nicht so schlecht. Doch nachts sanken die Temperaturen oft auf 9 -12 Grad. Nicht meine favorisierte Camping-Temperatur, wir mir nochmal deutlich wurde.

Auch abseits der Temperatur war die Schlafsituation diesmal nicht ganz so prickelnd. Ich hatte ein Zelt abgekommen, dessen Boden nicht nur in zwei Richtungen abschüssig war, sondern der Boden zusätzlich auch noch starke “Wellen” aufwies. Für meine Stimmung war das, mittlerweile etwas abgestumpft, egal. Nur mein Rücken fand das irgendwie unglücklich und quittierte diese Umstände mit morgendlichen Rückenschmerzen.

Doch die Bewegung des Tages schaffte, trotz Rucksack, wieder Lockerung und so war es ein ständiges auf und ab, bis eben zu letzten Nacht, dem Sleep Out. Dort war der Untergrund nämlich angenehm eben und die Nacht unter den Wolken war – perfekt!

Die Nachtwache verlief dieses Mal, trotz bevorstehendem Neumond und Wolken, mit entsprechender Dunkelheit, absolut ereignislos. Nur einmal durchbrach ein weit entferntes Brüllen eines Löwen die nächtliche Stille. Doch während der letzten zehn Tage hier im Busch hatten wir den “König der Savanne” nur anhand von Spuren und Gebrüll wahrnehmen können. Schade.

Ein kleines Highlight gab es dann doch noch auf dem Rückweg vom Sleep-Out zum Camp und wurde nur durch einen Perspektivwechsel offenbart: In einem Baum, am Ufer Flusses, an welchem wir die letzten Wochen regelmäßig vorbei gestampft waren, entdeckten wir die “zerrissene” Überreste eines Impalas. Makaber anmuten hingen die Knochen und braunen Fellfetzen von den oberen Ästen herunter und verrieten: Hier hatte ein Leopard, bei grandioser Aussicht, ein blutiges Festmahl genossen.

Eine ähnliche intensive “beinahe” Begegnung mit dem scheuen Tier hatten wir am Dienstag, nach dem Leoparden Brüllen gehabt. Auf dem Weg zu einer hoch frequentierten Frischwasserquelle wurden wir nämlich unvermittelt stark-süßlichem “Popkorn-Duft” eingehüllt. “Leopard” flüsterte Dylan wieder, bevor wir uns auf die Suche nach dem süßlichen Ursprung im grünen, dornigen Dickicht machten. Leider auch erfolglos.

Camplife

Das Camp selbst und der Zustand war diesmal ja bekannt gewesen und der neu “erworbene” Grad der “Abgestumpftheit” zeigte sich deutlich, als wir bei unserer Ankunft am Montag auf ein, mit (hoffentlich) braunem Matsch eingesautes “Badezimmer” und zerbrochene Klobrille gestoßen waren –  Ich regte mich nicht auf, es war mir egal war.

Auch hatte man in der Woche zuvor herausgefunden, dass die eine der zwei Duschen tatsächlich mit heißem Wasser versorgt werden konnte – vorausgesetzt, kein anderer Wasserhahn forderte zur gleichen Zeit warmes Wasser an. Dann war die kleine Gastherme nämlich bereits überfordert und ging in einen “Verweigerungsmodus” über. EINE Dusche für vierzehn Menschen. Ich hatte die ganze Unternehmung ja sowieso in den Rahmen eines Trainings gesetzt und so war meine Entscheidung schnell gefallen: Ich duschte einfach weiterhin kalt – dafür ohne zu warten und wann ICH wollte. Ich hatte zudem mein Vorhaben, mich weiter zu reduzieren, durchgezogen und war diesmal lediglich mit drei Boxershorts und drei Paar Socken sowie einem T-Shirt, einem Hemd sowie einer Hose angereist. Dies bedeutete, jeden Tag waschen, funktionierte aber sehr gut. Test bestanden. Kann so angewendet werden.

Was ein wenig nervig war, war der Umstand, dass diesmal wieder drei Teilnehmende mit fiesem Husten und dickem Schnupfen angereist waren, doch auch da hatte ich gelernt. Die einzige Übertragungsmöglichkeit war meiner Meinung nach das Besteck und das Geschirr. Ansonsten waren wir ja nur an der frischen Luft und fassten keine Klinken oder sonstige typischen Überträger an. Also wusch ich einfach vor der Nutzung das Geschirr nochmal selber gründlich ab – und siehe da: Es funktionierte. Ich konnte die Woche Beschwerdefrei erleben. Herrlich.

Selbst der linke Nacken tat nicht mehr weh! Ich hatte mir nochmal den Rucksack angeschaut und eine minimale Ungleichheit in der Einstellung festgestellt. Minimal. Lass es 0,5 cm gewesen sein. Doch diese “Kleinigkeit” reichte aus, um mir den linken Nacken zu verhärten. “Mal wieder Kleinigkeiten” dachte ich. “Es kommt doch immer wieder auf die Kleinigkeiten an!”

Insgesamt hatte ich mich in der Wildnis wieder sehr wohl gefühlt! Das Unterwegssein an sich, zu Fuß und in solch beeindruckender Natur im Speziellen, tat mir sehr gut und produzierte eine tiefgreifende, ruhende Zufriedenheit in mir. Gut, auch dieses Mal freute ich mich am Ende auf eine warme Dusche und frische Kleidung und auch dieses Mal war ich am Ende der Woche der Meinung, dass fünf Tage “Wildnis” am Stück ausreichten. Ich wollte jetzt also nicht zum Waldschrat werden, der dauerhaft im Wald lebt und sich mit dem Wasser des Morgentaus zufrieden gibt. Die Zivilisation hat schon ihre Vorteile, aber die Wildnis war mir ans Herz gewachsen.

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