no. 14 – lernen bis es knallt | vögel, botswana und pandoras box des lernens

Es war eine sehr rudimentäre Schießanlage. Schon die Zufahrt war bemerkenswert unauffällig. Kein Schild, kein Hinweis. Nicht mal ein richtiger Weg führt von der Hauptstraße ab. Man musste schon genau hinsehen, um den kleinen sandigen Pfad zu erkennen, der von der asphaltierten Straße über einen Sandhügel in eine Art Sandgrube führte. Ohne diesen zu kennen, würde man wohl einfach an dieser  Zufahrt vorbeifahren. Bog man aber richtig ab und folgte dem kleinen, unscheinbaren Sandweg, gab ein großes Blechschild nach knapp 600 Metern den entscheidenden Hinweis: Bei dem mit Stacheldraht eingezäunten Gelände handelt es sich um eine Schießanlage! Einschusslöcher im Schild schienen nochmal deutlich machen zu wollen: Hier wird wirklich scharf geschossen!

Die ganze Anlage erweckte einen irgendwie provisorischen Eindruck. Alte, fast profillose Reifen, zu runde Stapeln aufgetürmt, dienten als Zielscheibenhalterung. Die Sandbank eines trocken gefallenen Flussbettes diente als Kugelfang. Die Zielscheiben selbst wurden einfach mittels Klarsichtfolien und Klebeband an den “Zielschreibenbrettern” befestigt. An sich war dies alles nicht besonders bemerkenswert. Ich habe auf ähnlichen, privaten Anlagen bereits geschossen und im Prinzip erfüllte hier alles seinen Zweck. Bemerkenswert war für mich allerdings, dass hier auch die örtliche Polizei schießen gehen sollte. Für Behörden war ich doch anderes gewohnt. Mir gefiel diese einfache, rustikale Anlage jedoch sofort. Ich habe ein Herz für “stärkende” Trainigseinrichtungen dieser Art, egal ob Mukki Bude oder Schießanlage – schlicht und rustikal war für mich authentischer als  Hochglanz und Sterilität.

Auf dem Programm stand heute eine Schließeinheit unter scharfem Schuss mit dem Kaliber .308 Alles andere Übungen war bis jetzt nur trockene Drills gewesen –  ohne den signifikanten “Bumm”, den Rückstoß und die “durchlöchernde” Wirkung. Mit dem Kaliber .308 sollten wir uns an das Schussverhalten des Bolt Action Gewehres gewöhnen und uns so langsam zum großen Kaliber .375 Magnum heran arbeiten. Dieses Kaliber, welches während auch der Walks in der Wildnis verwendet wurde, war geeignet, im Notfall auch einen Elefantenschädel zu perforieren.

Mit dabei war noch die schüchterne, junge Südafrikanerin Inga. Sie hatte allerdings nicht das Repetiergewehr auf der Agenda, sondern wollte ihre Abnahme im Bereich der Pistole, der Pumpgun und des Semi-Automatischen Gewehres für den Südafrikanischen Waffenschein ablegen. Nachdem unsere Pflichtprogramm von uns beiden erfüllt wurde, drückte mir Dylan auch eine Shotgun in die Hand und fordert mich auf, die restlichen, mit Sand gefüllten Hülsen in gut zehn Metern Entfernung auf dem Boden l, sowie eine Papierzielscheibe zu beschießen. “Lass uns Konfetti machen” rief Dylan und gab das Kommando, mit dem Schießen zu starten.

Well, that escalated quickly

Das Schießen hatte wirklich Spaß gemacht und es war schön, mal wieder auf dem Schießstand gewesen zu sein. Doch damit war der Spaß für die Woche auch schon vorbei, denn Olga hatte am Montagmorgen die “Büchse der Pandorea” des Lernens geöffnet. Waren die ersten Wochen im Camp noch verhältnismäßig entspannt gewesen, waren wir nun regelrecht mit Aufgaben überfrachtet worden. Wir hatten so beispielsweise einen Liste mit 27 Spezies und Arten übergeben bekommen, die wir bis Donnerstag derselben Woche, also innerhalb von zwei Tagen, lernen sollten. “Slides and Sound” nannte sich dieses Examen, doch 27 Spezies sind nicht nur 27 Tiere oder Pflanzen. Allein die Eulen hatten 16 Unterarten. Dazu sollten wir bis Mittwoch noch das Kapitel “Ecologie” aus dem Nature-Guide Workbook lernen und bis zum Freitag vier Profile von Tieren angelegt haben, während das Tagesgeschäft, also die morgendlichen „Spaziergänge“, Unterrichte und die (wirklich tollen) Ausflüge, fröhlich weitergingen.

Zeit zu lernen? Dazwischen!

Wir stöhnten und als uns Olga dann noch gut gelaunt die „Weisheit“ an den Kopf warf, dass “Stress” nur in unserem Kopf entsteht und wir schließlich freiwillig hier waren, war meine Stimmung erstmal komplett im Keller. “Wenn man kein Super-Brain war, wie bitteschön sollte das denn alles bis Donnerstag und Freitag zu bewerkstelligen sein?” jammerte ich in mich hinein. Natürlich war ich freiwillig hierhergekommen um zu lernen, aber diese Eskalationsstufe war mir und meinem mittlerweile langsamen Gehirn etwas zu steil.

Doch bereits am Dienstag erkannte ich: Hier war ein mir mittlerweile bekanntes Muster am Werk: Erstmal mächtig Druck aufbauen und völlig überladen, doch dann war alles halb so wild und es musste (doch) nicht wirklich bis zum groß angekündigten Termin abgeliefert werde. Letztendlich wurde die Prüfung im Laufe der Woche auf die nächste Woche gelegt und von den vier Profilen “wäre es schön, wenn wenigstens eines abgegeben wird..”.

Da hatte ich mich also unnötigerweise aufgeregt – ich hätte es besser wissen sollen. Doch nun schienen die Aufgaben für mich zu bewerkstelligen und wieder motiviert machte ich gute Fortschritte.

Nachdem ich den ganzen Dienstag dafür gebraucht hatte, Informationen zu den Spezies zusammen zu sammeln und in meine Karteikartenapp einzutragen, begann am Mittwoch die intensive Lernphase. Als “Geh-Lerner” schossen nun meine Tagesschritte wieder in die Höhe. Abseits vom “Guinea Grass”, “Pel´s Fisching Owl” oder “Black Bottom Spider” beschäftigen wir uns in den Unterrichten mit Taxonomie, Ökologie, Baumidentifikation und vielen Vögeln. Es war spannend all das für mich Neue zu lernen und die Zusammenhänge mehr und mehr zu verstehen und es machte wirklich Spaß. Abgesehen von den Vögeln.

Vögel

Vögel war hier so ein Thema für sich. Ich mag die kleinen und großen gefiederten, oft bunten und quirligen Tiere schon gerne. Es macht mir Spaß, die kleinen Tiere bei ihrem, oft hektischen Tagesgeschäft zu beobachten oder ihrem – meistens – fröhlichen Gesang zu lauschen. Auch erkenne ich durchaus den praktischen Nutzen des Erkennens einiger Arten. So zeigt beispielsweise der Oxpecker an, dass ein Tier der “Big Five”, beispielsweise ein Büffel, in der Nähe ist. Doch dies reicht mir dann auch. Allerdings nehmen die gut 800 Vögel hier in dieser Region und insbesondere die Identifikation derer, in dem Unterrichtsmaterial eben einen für mich überraschend großen Stellenwert ein.

Ich war schon von den Identifikationsfähigkeiten der Langzeitstudenten beeindruckt gewesen. Umso mehr war ich nun aber von den sich rasch entwickelnden Fähigkeiten meiner neuen Mitstudierenden überrascht. Insbesondere Cameron entpuppte sich als wahres “Birding-Talent” und auch Jona oder Mak hatten schnell ein bemerkenswertes Repertoire drauf. Ja, auch ich erkannte mittlerweile den einen oder anderen Vogel am Gesang, doch zwischen mir und den Anderen lagen einfach weiterhin Welten. Insgeheim freute ich auf dem Zeitpunkt, an dem Kapitel “Vögel” endlich vorbei sein würde, doch unterschwellig ahnte ich: “Vögel” würden mich bei Bhejane Nature Training noch wohl etwas länger begleiten.

Was mir allerdings zunehmend Spaß machte, war die Baumidentifikation. Ja, die ersten Einheiten waren auch sehr mühsam und oft sehr frustrierend gewesen. Anhand von bestimmten Merkmalen wie Blattform und Beschaffenheit, Nadeln, Pflanzensäften und Geruch sollten wir lernen, einen Baum zweifelsfrei zu bestimmen. Es brauchte etwas Zeit, das dahinterliegende System zu erlernen und oft scheiterte es für mich auch noch einfach den fehlenden englischen Spezialvokabeln. Aber bereits am Ende der Woche ging mir der Prozess dann wesentlich einfacher von der Hand und ich erkannte: Bäume lagen mir wesentlich mehr als Vögel.

Den meisten Anderen ging es allerdings nicht so. Vögel wurden klar favorisiert, Bäume waren einfach die Pflicht. Ich war also mal wieder “anders als die anderen Kinder”.

Einen kleinen Zugang zu den Vögeln verschaffte mir allerdings der Ausbilder Mike am Donnerstag. Es stand eine weiterer “Game Drive” im Bonamanzi Game Reserve auf dem Plan, doch Mike hatte bereits angekündigt, dass er den Fokus diesmal auf Vögeln legen würde – und nicht auf die großen Säugetiere wie Nashörner oder Elefanten. Was ich am Anfang sehr bedauerte, entpuppte sich im Laufe des Tages tatsächlich als eine interessante und erheiternde Unternehmung.

Mike, mit bürgerlichem Namen Michael Rosati, war ein Guide und Instruktor mit vierzehn Jahren Erfahrung, wachem Blick und viel Energie und noch mehr Motivation. Er hatte 2010 Jahren bei Ulovane, im Amakhala Game Reserve gelernt und seinen Lead Guide hier bei Bhejane mit Dylan gemacht. Nun war er, nachdem er zuerst regulär für einige Lodges gearbeitet hatte, als Freelancer mit einem eigenen, kleinen Kundenstamm unterwegs. Seine Guiding- und Instruktoren Tätigkeit hatte ihn bereits nach Botswana, Mosambik, Namibia, Zimbabwe geführt, doch sein Favorit war klar der Kongo.

Mike schaffte es, jeden Einzelnen von uns von seinem Standpunkt abzuholen und behutsam-fordernd mit dem Thema Vögel vertraut zu machen. Er sagte uns nicht einfach nur, wie ein bestimmter Vogel hieß, sondern gab uns direkt einfache, praktische Tipps, wie man sich diese und jene Spezies gut merken konnte. Dabei war er immer sehr authentisch, geduldig und motivierend. Am Ende des Tages hatte er mich zwar nicht zu einem wirklichen “Birder” machen können, doch ich hatte nun einen wesentlich besseren Zugang zu dem ganzen Thema entwickelt.

Der Frust des Montages war dann am Ende der Woche komplett verschwunden und ich war nun wirklich zuversichtlich und sehr guter Dinge, diese Masse an Informationen und Aufgaben gut bewerkstelligen zu können. Richtig “rund” wurde die Woche allerdings durch Mike’s “Bonbon”, den er am Donnerstagabend für mich hatte:

“Botswana. Ich empfehle dir Botswana! entgegnete Mike, nachdem ich ihm von meiner Mission, die Stärke zu erforschen, erzählt hatte. “Die Tiere in Botswana sind oft sehr kräftig und ausgeprägt. Das Land an sich ist überwiegend noch sehr wild und nicht so überlaufen wie Kenia oder Tansania. Botswana ist das, was du suchst. Miete dir da einen Pickup mit Dachzelt, mache die “Game Drives” selber – gerade dann mit deiner Ausbildung von Bhjane kein Problem – und übernachte überwiegend im Busch im Dachzelt. So bist du unabhängig und bekommst tolle Fotos. Dann würde ich noch einen Guide für ein paar Tage anzuheuern und dann zu Fuß auf einen Primitiv-Trail gehen. Da bist du dann im direkten Kontakt mit den Tieren und bekommst die Erlebnisse und Geschichten, die du brauchst.“

Das klang nach einem sehr guten Plan! Vor meinem inneren Auge sah ich mich bereits frei und unabhängig, mit einem Pickup durch die dunkelgrüne Landschaft des Okavangodelta reisen. Ich sah mich, ich atemberaubende Begegnungen mit großen, kräftigen Tieren und mein Essen auf einem kleinen Kocher bei einem Primitiv Trail zubereitend.

Die Erkundung Afrikas hatte definitiv gerade erst begonnen!

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