“Wie teuer ist eine Tüte?” fragte Mak die Frau am Straßenrand.
“Zwanzig Rand”
“OK, dann nehme ich eine”
Mak reichte das Geld über mich und durch das kleine Fenster aus dem Auto und ich nahm die Tüte mit geschnittener Ananas entgegen. Sie duftete herrlich und war überraschend kalt! Mak schmatzte genüsslich und genoss eine kalte Ananasscheibe nach der anderen, während wir im Schatten der Bäume in der Schlange vor der Baustelle standen. “Übliche Wartezeit 20 min” klärte uns ein Schild einige Meter weiter auf.
“Was ist hier los? “ fragte ich Mak.
“Och, die reparieren hier schon seit einiger Zeit die Straße”
Ach ja, davon hatte ich gehört. Der Anfahrtszeit nach St. Lucia, einem kleinen, süßen Ort am Meer, soll dadurch erheblich verlängert worden sein, erinnerte ich mich an die Worte von Tom. Ich freute mich schon sehr auf ein paar Tage Frei, ordentliche Duschen und Zimmer und ästhetische Einrichtungen, den die letzten Wochen und vor allem die letzten Tage war viel los gewesen.
verabschiedung
Am Donnerstagmorgen war, nach der finalen theoretischen Abschlussprüfung zum NQF2 Nature Guide, eine große, emotionale Verabschiedung gewesen. Die Zeit war wirklich gerannt, der Short-Kurs nun schon wieder zuende und Ilanga damit Geschichte.
Die Meisten hatten auch bereits ihre Praktische Prüfung hinter sich gebracht, verbrachten noch ein paar Tage in Südafrika, mussten dann aber wieder zurück nach Europa oder hatten bereits weitere Verpflichtungen geplant. Jona plante, wieder bei einem Conversation Center für Affen zu arbeiten und Joss musste ich auf weitere Prüfungen für seine Uni vorbereiten. Nur Shile, Cameron, Mak und ich blieben in Kuleni, hatten dort aber die nächsten Tage kein Programm. Also wollte ich mit Mak Durban erkunden, ein paar Tage alleine in St. Lucia verbringen und mich dem zweiten Kapitel des Rangers zuwenden: Dem Field Ranger und den Anti-Wilderern.
Die Fahrt nach Durban war etwas abenteuerlich gewesen. Der kleine, rote Geländewagen von Mak, den ich sehr mochte, war nicht wirklich für lange Strecken ausgelegt und eine Unterhaltung während der Fahrt bei mehr als 110 Km/h führte bei mir zu einem rauen, trockenen Hals. Die Straßenverhältnisse waren bisweilen grausam, eine Federung in dem Auto kaum vorhanden und die Klimaanlage verweigerte stumpf ihren Dienst.




Nassgeschwitzt und mit leichten Rückenschmerzen erreichten wir dann gegen 17:00 Uhr Durban. Durban war eine interessante Stadt und erinnert mich ein wenig an St. Francisco – So wie ich es mir vorstellte, denn da war ich noch nie gewesen. Gebaut war die Stadt auf alten, riesigen Sanddünen und lag direkt am Meer. Die Häuser waren ein Mix aus alten, schnuckeligen holländischen Gründerzeit-Häusern und abgefuckten, dreckigen Hochhäusern. Die Straßenverhältnisse waren auch hier sehr bescheiden und die Gehwege waren teilweise gesäumt mit Obdachlosen und Trinkern. Doch es gab eben auch einige wirklich sehr schöne Ecken und eine davon zeigte mir Mak noch am Abend: Seinen Wassersportclub, direkt am Strand, mitten in der Stadt!
Das frisch gezapfte (!), große IPA lief genüsslich und prickelnd meine Speiseröhre hinunter und bei dem Geräusch tobender Brandung aß ich gemeinsam mit Mak das mit Abstand beste Fischfilet seit Monaten. Es war ein magischer Moment, nach all der Entbehrung der letzten Monate, dem Leben im Busch und dem Stress des Lernens!
Am Freitagmorgen hatte ich mir das Interview mit Sarah Fergusson, der Langstreckenschwimmerin und Weltrekordhalterin organisiert, um mit ihr über Stärke zu reden. Das Ganze wollte ich aufzeichnen, um später daraus einen Podcast über Stärke zu entwickeln und Junge, war ich aufgeregt gewesen! – Mehr, als vor der theoretischen Abschlussprüfung zum Nature Guide! Doch das ist eine andere Geschichte.
Nachdem also nun auch dieser, mir sehr wichtige Punkt abgeharkt war, hatte ich das erste Mal seit langem wirklich Freizeit! Erschöpft aber überglücklich ließ ich mich in Maks roten Flitzer fallen und mir nun von ihm indirekt die restliche Stadt zeigen, denn er hatte einiges zu besorgen. Ein neues Jagdgewehr zum Beispiel.
Das Waffengeschäft, in dem das Gewehr lagerte, glich dem aus dem Computerspiel GTA. Von außen war es komplett vergittert, doch innen konnte man fast alles, bis auf Raketenwerfer, begutachten und kaufen. Die Munition, die Mak dann noch brauchte, gab es in einem anderen Geschäft, auf der anderen Seite der Stadt. War das erste Waffengeschäft noch von schwarzen Männern dominiert, war das zweite Geschäft die Spielwiese von zumeist kräftigen, weißen Afrikaans-sprechenden Zeitgenossen. Sehr interessant, aber irgendwie surreal.
Auch surreal war dann der anschließende Besuch im “Robsons”, einer stylischen Bar im Hafengebiet. Dort bereitete man sich nämlich auf das deutsche Oktoberfest vor und entsprechend wurde die Bar mit unzähligen Deutschlandflaggen und weiß-blauen Bannern geschmückt. Am Abend, ich war schon leicht angedüselt, lud mich dann die Familie von Mak zu einer weiteren feucht fröhlichen Runde Nachbarschaftsgrillen im Innenhof des Apartment Komplexes ein. Prost!
Den Samstagmorgen begrüßten wir, trotz Trinkgelage am Freitagabend, erstaunlich früh und bereits gegen 06:00 Uhr saß ich mit Mak, seinem Bruder, seiner Mutter und einer Freundin der beiden Jungs in einem silbernen Kleinwagen und war auf dem Weg zu einem Markt, dreißig Minuten außerhalb der Stadt. Der Markt fand jeden Samstag statt und bestand überwiegend aus fest installierten Buden. Hier konnte man wirklich alles kaufen: Guten Kaffee, Unmengen an Essen, Kleidung, Kosmetik, Geschirr und sogar Second Hand Werkzeug.
Zurück ging es aber bereits gegen 09:00 Uhr und den weiteren Samstagvormittag verbrachten wir dann wieder damit, quer durch Durban zu fahren und nun allerlei Leuten das neue Gewehr zu zeigen. Mein Highlight war allerdings, als wir vor einem, ich nenne ihn mal “Partyschlachter” hielten. Die Schlachterei gehörte dem Vater eines Freundes von Mak und auch dieser war offensichtlich ganz scharf darauf, das neue Gewehr zu sehen.
Vor dem Gebäude waren vier riesige Musikboxen zu zwei “Sound-Türmen” aufgestapelt. Ohrenbetäubende, Afrikaans-Country Musik bügelte uns bereits nach dem Ausstieg die Falten aus meinem Shirt, während ein extrem gut beleibter Mann, um 10:30 Uhr bereits volltrunken, einen Grill vor dem Lokal bediente und dabei laut und zufrieden mitsang. Der Vater selbst war dann von dem Gewehr so begeistert, dass er erstmal einige Zielübungen im Kundenbereich der Fleischerei abhielt – Was die Kundschaft aber nicht sonderlich störte.
Am Samstagnachmittag war die Familie bei der Tante von Mak zum Essen eingeladen und ich durfte wieder dabei sein. Es wurde wieder in einem Garten gegrillt – oder wie der Südafrikaner sagen würde: Braai.
Das Haus war schön und gefiel mir sehr gut. Es befand sich mitten in der Stadt, war ortsüblich eingezäunt, aber dann mit allerlei großen Pflanzen begrünt worden. Außen wie innen hatte es definitiv schon bessere Zeiten gesehen, aber es war sehr geschmackvoll eingerichtet. “Würde ich so auch nehmen” dachte ich. Abgerundet wurde der Abend, nach einem kleinen Familiendrama, mit einem leckeren Guinness aus der Dose im Dropkick Murphy’s. Wie der Besuch in Durban am Donnerstagabend begonnen hatte, so endete er am Sonntagmorgen dann auch: Mit einem leckeren Essen und Meerblick in Maks Sportclub, in welchem dieser noch zwei weitere Freunde traf.
Es war in nur drei Tagen noch so viel mehr, auch skurriles passiert, doch insgesamt hatte ich dieses Wochenende einfach nur genossen. Ich war froh, endlich mal komplett aus Hluhluwe heraus gekommen zu sein und ich war dankbar, einen authentischen Einblick in das Leben der Menschen in Durban bekommen zu haben – Dies hätte ich über einen Hotelbesuch niemals gehabt.
Doch nun freute ich mich nun auf meine neue Rolle als einfacher „Tourist“, in einem schönen Hotel in St. Lucia.
barfuß in Saint Lucia
“Hast du heute Zeit?“
Ich lag auf dem Bett meines Hotelzimmers und versuchte gerade herauszufinden, was ich mit meinen freien Tagen anfangen wollte, als mir mein Handy diese Nachricht anzeigte. Sie kam von Nunu Jobe, dem “Barefoot Rhino Wisperer”, einem DER Trailsguides in der Region mit Kultcharakter.

Angefangen in jungen Jahren als Meat-Poacher, also jemand, der Tiere für den Fleischkonsum wildert, hatte er die Natur immer mehr verstanden und lieben gelernt und dann die Seiten gewechselt. Nun beschütze und erklärte er die Natur und war auf der Mission, sie zu erhalten. Zudem war es ihm eine Herzensangelegenheit, die Wildnis allen, also auch den armen Communities, aus der Umgebung zugänglich zu machen. Vom Dunkel ins Licht – eine spannende Persönlichkeit für ein weiteres Interview über Stärke!
Für so jemanden nahm ich mir immer Zeit – und damit hatte sich dann aber auch meine Frage nach der “Freizeittätigkeit” erledigt.
Wir verabreden uns zu 09:00 Uhr hier in meiner Unterkunft und ich hatte so noch gut eineinhalb Stunden Zeit, um zu Frühstücken und dann alles für das Interview vorzubereiten. Damit war es dann aber auch mit der Entspannung vorbei.
Als erstes brauchte ich eine gute Platz, was gar nicht so einfach war. „Zu dunkel, zu hallig, zu viel Wassergeräusche, zu schlechte Sitzposition, zu viel “fleckige” Sonne, zu wenig Privatsphäre“. Die Zeit rannte und ich war immer noch nicht zufrieden, als ich mich entschied, erstmal zu Frühstück. Noch bei Rührei und Kaffee versuche ich, ein paar letzte Informationen über Nunu zusammen zu tragen und hatte auch vor, nochmal das Interview durchzugehen. Doch die Zeit rannte immer weiter. Ich kitzeln gerade die letzte Zeile über Nunus Firma in mein Notizbuch – Die Schönschrift hat sich bereits vor zwei Seiten verabschiedet – als plötzlich mein Handy klingelt. Es war Nunu.
“Ich stehe vor der Tür”
Als ich die Einfahrt der Unterkunft erreichte, kam mir durch das bereits geöffnete Tor ein etwas kleinerer, kräftiger, tief schwarzer Mann in den frühen Vierzigern entgegen. Nunu trug dicke, kurze Dreadlocks und war natürlich barfuß, sein Markenzeichen. Besonders fiel mir sein breites, freundliches Grinsen und seine aufmerksamen Augen auf. Er war mir sofort sympathisch.
“Du kannst hier parken” sagte ich und deutete auf die freie Fläche in der Einfahrt.
“Nein, schon Ok, meine Frau und die Kids gehen in der Zeit kurz einkaufen” entgegnete Nunu und erst da erkannte ich, dass noch mehrere Personen im Auto saßen.
“Alles klar. Willst du einen Kaffee?”
“Ja, gerne”
“Was für einen?”
“Cappuchino”
Ich erfasste ziemlich schnell, dass Nunu nicht allzu viel Zeit mitgebracht hatte und noch während ich den Kaffeewunsch in Richtung Service-Personal formulierte, merkte ich, dass nun mein ganzer Plan umgeworfen wurde. Ursprünglich wollte ich mit Nunu das Interview gerne im Grünen, vor einem Baum im “Garten” des Resorts machen. Doch dort gab es keinen Tisch. Also setzten wir uns an einen runde, steinerne Tisch-Bank Kombination und begannen erstmal etwas zu quatschen, bis der duftende Kaffee serviert wurde.
“OK, lass uns das schnell machen, meine Familie wartet” rief Nunu dann auch und nahm einen großen Schluck Kaffee. Also dann hier am Tisch.
Obwohl es dieselben Fragen waren wie die bei Sarah Fergusson, verlief das Interview im Vergleich zu dem mit Sarah völlig anders. Während Sarah sehr kurz und knapp und spezifisch geantwortet hatte, antwortete Nunu eher diffus, holte mehr aus und berührte mit seinen Antworten bereits einige offene, noch kommende Fragen. Dabei hatte ich nicht das Gefühl, dass er meinen Fragen auswich – er hatte einfach ein anderes Verständnis von seiner Umwelt. Besonders deutlich wurde dies in der Antwort auf die Frage nach einem starken Buch: “Die Galaxie”, sagte er und deutete dabei in einer Kreisbewegung auf die Natur um uns herum. “Bäume, Gräser, Spuren. Man kann so viel in ihr lesen. Es ist das beste Buch.” Normalerweise hätte ich mich innerlich aufregend, dass die Fragen nicht wirklich konkret beantwortet wurden. Aber Nunu nahm ich die Antworten wirklich ab. Sie wirkten authentisch und nicht produziert. Dies war einfach seine Realität. Für ihn IST die Umwelt, die Natur ein “starkes Buch”.
Nach gut 45 Minuten beendete ich die Aufnahmen und wir schüttelten und die Hände. Es war eine wirklich interessante Unterhaltung gewesen und ich hatte bereits jetzt unheimlich viel Input zum Nachdenken bekommen.
der tourist
Zufrieden ließ mich auf das Hotelbett fallen und schaute durch die großen Balkontüren über die Veranda auf die, sich im Wind bewegenden Palmen am strahlend blauen Pool. Der Ausblick war super gemütlich und die Einrichtung, die Dekoration sehr hochwertig und ausgewählt. Es war ein schöner Kontrast zu all den Wochen Holzhütte oder Zelt in der Wildnis, rudimentären Wascheinrichtungen, Studentenküchen und vor allem dem hektischen Lernprogramm für die Abschlussprüfung.
Ich hatte echt was geschafft und freute mich nun auf ein paar Tage Entspannung, nur mit mir selbst, als Gast in einer lieblichen, hochwertigen Umgebung. Einige Tage einfach mal nichts mit wilden Tieren und Pflanzen zu tun haben. Einfach mal am Strand bummeln, schwimmen und leckeres Essen genießen. Einige Tage einfach mal die Seele baumeln lassen und selber ein „Gast“ sein. – bevor es dann schon bald zum letzten Schritt ging: Der praktischen Abschlussprüfung zum Nature Guide NQF2!
Santa Lucia ist ein kleines, charmantes Dorf an der Ostküste Südafrikas, eingebettet zwischen dem Indischen Ozean und den üppigen Feuchtgebieten des iSimangaliso Wetland Parks – einem UNESCO-Weltnaturerbe. Mit seiner entspannten Atmosphäre, einer einzigen Hauptstraße mit Restaurants, kleinen Geschäften und gemütlichen Unterkünften, bietet Santa Lucia eine ruhige, naturnahe Alternative zu den großen Touristenzentren. Santa Lucia ist dabei weit mehr als ein idyllisches Küstendorf – es ist einer der wenigen Orte weltweit, an dem Nilpferde regelmäßig durch die Straßen spazieren. Besonders in den Abendstunden verlassen die Tiere die nahegelegenen Feuchtgebiete, um in den Vorgärten oder auf der Hauptstraße nach Gras zu suchen.













