no. 23 – protect – restore – rewild | wild tomorrow fund 1

„152, 153, 154… Geschafft!“ Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, knotete das Ende des weiß-roten Absperrbandes um die Rolle und lies meinen Blick über das schwarze, verbrannte Feld wandern. Es roch sogar noch markant würzig und die schwarzen, kniehohe Buschgerippe ließen erahnen, dass hier vor einiger Zeit noch ein ganz anderer Anblick war.

„Curry Busch. Hier war alles voller Curry Busch – Und davor war hier eine Ananas Farm” ächzte Kevin, während er einen der schulterhohen, dünnen, aber schon schweren Ficus-Bäumchen von der Nusery auf die Ladefläche des weißen, verbeulten Pick-Up hievte.

Kevin arbeitet im Naturschutz und ist der Manager der Wild-Tomorrow-Fund Reservate im KwaZulu-Natal-Gebiet. Durch ihn wollte ich die Rolle des Field Rangers kennenlernen und besser verstehen und er hatte mich eingeladen, ihn heute bei seinem Arbeitstag zu begleiten.

“Unser finales Ziel ist es, die alten Korridore wieder zu öffnen und so die natürliche Wanderung der Tiere zu ermöglichen. Diese alten Korridore wurden in der Vergangenheit immer mehr geschlossen. Aufgekauft, gerodet, eingezäunt und in Farmland umgewandelt. Fast jedes heutige Game Reserve war irgendwann mal Farmland. Um die Korridore wiederherzustellen, kaufen wir primär Land auf, arbeiten aber auch eng mit umliegenden Reservaten wie Phinda zusammen und versuchen die Zäune zwischen den Reservaten zu entfernen“ erklärte mir Kevin, während wir im Auto saßen und gemeinsam zu einem “seiner” riesigen Grundstücke fuhren.

“Was macht ihr mit dem Land, wenn ihr es fertig „renaturiert“ habt?” Fragte ich nachdenklich.

“Nichts. Managen. Sonst nichts”.

“Ihr wollt es also nicht für die Öffentlichkeit, für die Touristen öffnen?”

“Nein! Wir sind im Naturschutzgeschäft. Erhalten, beschützen. Tourismus machen andere. Eben Phinda zum Beispiel. Da wollen wir auch gar nicht rein. Ich meine, wir haben ein Safari-Mobil. Aber das ist mehr für unsere Spender oder Freiwilligen. Wir verdienen damit kein Geld.”

“Was ist Wildnis denn für dich?”

“Ein Ort, an dem der Mensch nicht eingreift“, entgegnet Kevin ohne zu zögern.

“Würdest du sagen, dass dies Wildnis ist?” 

“Nein. Wildnis ist von Menschen unberührt. Wir müssen hier managen, da sonst ein Ungleichgewicht entstehen würde. Wenn alle Zäune weg wären, dann könnte ein Gleichgewicht wieder hergestellt werden. Das ist aber heutzutage utopisch. Wir begnügen uns mit den Korridoren. Das ist am nächsten an der Wildnis dran.”

“Gibt es denn gar keine Wildnis mehr in Südafrika?”

“Doch. Ganz wenig. Im Hluhluwe-iMfolozi Park gibt es einen Sektor, da fährt kein Auto, da gibt es keine Straße, da greift keiner ein. Der heißt sogar “Wildnis”. Auch im Krüger Nationalpark gibt es solch eine Zone. Doch die sind klein. Sehr klein.”

Eigentlich wollten wir heute Game Counts, also Tierzählungen machen. Das bedeutet konkret, die Anzahl bestimmter Spezies in einem bestimmten Abschnitt zu zählen. Doch tagelanger Starkregen hatte die Wege in schwer zu passierende Matschlöcher verwandelt, wodurch die Tierzählung unnötig aufwändig und langwierig werden würde.

“Dieser Regen ist schlecht für die Tierzählung, aber gut zum Pflanzen” rief Kevin und steuerte den klappernden Pickup durch die Einfahrt auf das ganz neu erworbene, 18.000 Hektar große Gelände.

Der Weg war von tiefen Sandlöchern durchzogen und der Pickup schwankt stark von links nach rechts, während die kleinen Bäumchen auf der Ladefläche die wellenartige Bewegung übernahmen und fortführten. Ich begleite Kevin heute bereits seit 07:15 Uhr und mir fiel auf, dass er für einen Manager erstaunlich viel draußen unterwegs war.

“Ja, ich bin eigentlich Praktiker. Ich muss draußen sein. Aber es stimmt, die meiste physische Arbeit tun andere. Ich bin meistens im Auto unterwegs, finde heraus, was gemacht werden muss und verteile dann die Arbeit.”

Unterstützt wurde Kevin u.a. von seiner neun Mann bzw. Frau starken Gruppe von Locals, die er “Green Mamba” nannte, sowie eben seinen Field Rangern. Die wollte ich natürlich auch nochmal begleiten, doch sie waren heute nicht am Patrouillieren und abseits der Parks beschäftigt. Es muss der Zaun eines Kindergartens in der Community reparieren werden!

“Sowas macht ihr auch?” Frage ich etwas verdutzt.

“Ja. Ohne die Community geht hier gar nichts und wir unterstützen gerne die Kleinen, denn sie sind die Zukunft. Außerdem ist dies eine Voraussetzung für das Label “Gemeinnützig”, welches wir brauchen, um genügend Spenden zu erhalten. Wir können später mal hinfahren und schauen, wie weit sie sind, aber erst müssen wir die Bäume hier in die Erde bekommen. Das Wetter ist perfekt.”

Auch seine “Green Mambas” hatten ursprünglich eine andere Aufgabe, nämlich die Grundstücke von Alien-Invasiven Pflanzen zu befreien. Doch heute musste gepflanzt werden. Erschaffen statt zerstören.

Die Vielfalt des Alltages

Das Aufgabenfeld von Kevin war weit gesteckt. Neben dem Kaufen von Grundstücken, dem Entfernen von invasiven Pflanzen, der Renaturierung und dem Support der Communitys organisierte und finanzierte er Nashorn-Dehornings, Fallen-Säuberungen oder Unterstützung anderer Gruppen, die im Conservation Sektor tätig sind.

“Kein Tag ist wie der andere und jeder Tag ist vom Wetter und den Jahreszeiten dominiert.” erklärte mir Kevin, während wir an riesigen Haufen zusammengerollter Zaunabschnitte und aufgestapelter Pfähle vorbei ruckelten – ein Sinnbild für die Wiederherstellung der Wildnis.

“Wenn wir ein neues Grundstück kaufen, müssen meistens die alten Zäune weg, die invasiven Pflanzen gerodet und manchmal auch das heimische Gras mittels Feuer entfernt werden. Viele Farmbesitzer machen keine Feuerrodungen. Dabei ist dies hier ein natürlicher Prozess und für viele Gräser sogar nötig, um überhaupt wachsen zu können. Außerdem reduzieren wir so die Zeckenpopulation. Hier war es so schlimm, dass bei einigen Antilopen die Ohren regelrecht “aufgegessen” wurden.”

Der Pickup mit den neuen Pflanzen hielt quietschend neben den Green Mambas, die es sich im Schatten eines großen Baumes gemütlich gemacht hatten und wenig beeindruckt waren. Kein Wunder. Sie waren schon den ganzen Tag dabei, Löcher zu buddeln und neue Bäumchen in die Erde zu bringen, bei 27 Grad – in Gummistiefeln.

Neue Abgrenzung

Der Himmel wurde immer dunkler und dunkel Blau-Graue Wolkenformationen türmten sich am Horizont auf, während die knallgrünen Blätter der frisch ausgeschlagenen Bäume und Büsche einen schönen Kontrast erschufen. Es blitzte und ich zählte innerlich mit „21,22,23,24,25,2..“ – Wie ein Artilleriefeuer legte sich eine akustische Donnerwand über die Landschaft und meine Brust begannt zu beben. “Noch sechs Kilometer, das wird heftig“, dachte ich und genoß die immer dichter werdenden Wolkenberge. Ich mag Gewitter – und es war ja noch nicht mal kalt. 

Zwischen dutzenden Baum-Transport-Fahrten waren wir nun auf dem Weg zu einem Werkzeugladen. Wir brauchten Nägel für den Kindergarten. Der “Tool-Shop” war am Ende eines riesigen sandigen Platzes eines sehr kleinen Ortes und erweckt einen für mich eher provisorischen Eindruck. Neben dem Werkzeugladen gab es noch einige andere, bunt angemalte Geschäfte, eher Krämerläden und kleine Kioske, als richtige Shops. Durch den Sandplatz entstand ein sehr roher, rudimentärer, irgendwie für mich „typisch“ afrikanischer Eindruck – ganz anders, als beispielsweise in St. Lucia, Durban oder eben Cape Town. Man merkte irgendwie, dass man kurz vor der Grenze zu Mosambik war.

Auf dem Weg zum Kindergarten mussten wir mehrmals anhalten, weil Kühe oder Ziegen das Fortkommen auf den rot-organen Wegen versperrten und auch hier war der Pickup wieder gut am Schaukeln.

“Sieht gut aus” sagte ich anerkennend und ging an dem offensichtlich neu errichteten Zaun entlang. Ich bin jetzt kein “Zaunexperte”, aber ich hatte in den vergangenen Monaten viele, zum Teil abenteuerliche Zustände von Zäunen und Absperrungen gesehen und dieser hier waren sehr stabil und sahen ordentlich aus.

“Der alte war voller Löcher, da sind ständig die Ziegen durchgekommen und haben den ganzen Spielplatz verwüstet“, erklärte mir Kevin, während er eine Säge von der Ladefläche seines Pickups fischte. “Das ist jetzt aber Vergangenheit.“

“Was muss man denn als „Ranger“ bei euch für eine Ausbildung haben?” fragte ich, als wir wieder auf de, Rückweg waren und die ersten, dicken Regentropfen auf der Windschutzscheibe zerplatzten.

“Die meisten bilden wir selber aus, aber schön wäre es, wenn wenigstens eine Berechtigung für das Tragen eines Gewehres vorhanden wäre!“

“Braucht man die als Field Ranger?“ Fragte ich verwundert.

“Besser ist es. Wir laufen hier keine bewaffnete Streife, weil wir keine Nashörner haben. Wir haben also nur mit Fallenstellern zu tun, die meistens nicht bewaffnet sind. Aber man kann nie wissen. Und manchmal unterstützen wir auch andere Reservate. Da ist das schon hilfreich. Doch die Hauptaufgabe meiner Ranger ist es, die Außenzäune zu kontrollieren. Es ist die erste Hürde, die erste Linie, die ein Wilderer überwinden muss. Daher müssen sie in Takt sein! Doch sobald die Zäunde zu Phinda fallen, übernehmen die Anti-Poacher von Phinda die Zaunsicherung und meine Ranger können sich wieder mehr auf die Conservation Tätigkeit konzentrieren” 

Orchideen im Eukalyptuswald

Kevin ging nochmal die Zahlen in seinem Handy durch, dann schaltete er das Display aus und schient zufrieden zu sein.

„500! 500 Bäume haben wir heute in die Erde gebracht. Es fühlt sich gut an, Bäume zu pflanzen,oder?” fragte Kevin grinsend und klopft sich den Sand von den Händen.

Ja, das tat es! Auch wenn ich die Bäumchen nicht wirklich selbst eingebuddelt hatte. Ich hatte sie auf das Auto und wieder herunter gehievt, mit einem Hauch Kreativität auf der schwarzen Stoppelfläche verteilt und später jedes einzelne Bäumchen mit Flatterband markiert, damit man sie später besser monitoren kann. Denn “Monitoren” ist wichtig im Wildlife-Management. Sicher, es hätte auch jemand anders machen können. Hat er oder sie aber nicht. Ich war es gewesen. Dank meiner Unterstützung heute wird hier schon bald ein neuer Wald entstehen. “Ja, das fühlt sich gut an!”

“Da, siehst du die gelbe Blume?!” Kevin deutete in den Eukalyptusplantagenwald hinein und ich erkannte mehrere lange Stiele mit kleinen gelben Blüten.

“Das sind wilde Orchideen” rief Kevin, brachte den Wagen aprubt zum Stehen, griff sich eine Spitzhacke und stratzt in den Plantagenwald, während sich eine Staubwolke von hinten über das Auto legte. Nach wenigen Minuten war die ganze Ladefläche mit gelben Orchideen und und einigen kleinen roten Blutlilien bedeckt und Kevin grinste mich an.

“Ich liebe Orchideen. Zuhause habe einen ganzen Garten voll. Diese hier würden bei der Ernte des Holzes einfach platt gemacht werden. So habe ich ihnen eine neue Chance gegeben.”

Er drehte den Zündschlüssel um und startete erneut den Wagen. Langsam setzten wir uns in Bewegung, während die Regentropfen nun prasselnd die Landschaft bewässerten. Kevin liebt es wirklich, die Natur zu bewahren. Das merkte ich deutlich.

www.wildtomorrow.org

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