no. 27 – ein ende ist ein neuer anfang

Langsam löste sich der orange, riesige Feuerball vom Horizont ab. Es schien mir fast so, als wollte mich die Zulu-Sonne das letzte Mal verabschieden und ein wenig wurde ich melancholisch. Doch mit den Worten„Warte mal, bist du die Sonnenauf- und -untergänge in der Kalahari Wüste gesehen hast. Das sind die besten, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Dagegen ist das hier nichts!“ entzauberte mir Christiaan sofort die Situation. Es war 05:05 Uhr und wir waren seit fünfunddreißig Minuten auf der N2 in Richtung Süden unterwegs. Doch es war nicht einfach irgendeine Fahrt, es war meine letzte Fahrt. Meine letzte Fahrt und meine letzten Stunden in Kwa-Zulu-Natal, im Zulu Land, denn Christiaan und ich waren auf dem Weg zum Flughafen in Richards Bay.

Was waren das doch für unvergessliche fünf Monate gewesen. Wie schnell und zugleich langsam war die Zeit vergangen und was hatte ich alles erlebt, gelernt, genossen! Was hatte ich alles erkannt und auch – was hatte ich alles ertragen! Die letzten fünf Monate bei Bhejane waren so vieles, auch so vieles Gegensätzliches, aber eines sicher nicht: Sie waren nie langweilig! Mein „Rucksack“ war nun gefüllt voller Erlebnisse, ich hatte unzählige Motive Fotografiert und einmalige Situationen erlebt. Und ich war nun ein Nature Guide!

Ich hatte unzählige Kilometer zu Fuß in Kuleni und in der Wildnis zurückgelegt und ich hatte unzählige tolle Tierbegegnungen gehabt. Insbesondere meine Begegnungen mit “der Giraffe” werden mir immer in Erinnerung bleiben! Das erste Mal, dass ich diesem Tier zu Fuß so nah gekommen war, immer und immer wieder! Aber es war nicht das einzige “erste Mal”. Ich hatte in den letzten Monaten unzählige “erste Male” erlebt: Das erste Mal einem Nashorn und Elefanten zu Fuß begegnen zum Beispiel. Das erste Mal ein Nashorn Dehornen. Das erste Mal unter den Sternen in der Wildnis, bei den wilden Tieren schlafen. Das erste Mal einen potentiell tödlichen Skorpion auf meinem Rucksack finden – der dann dich nicht tödlich war. Das erste Mal eine ebenso potentiell tödliche Spinne, die schwarze Witwe, von dem Eindringen in meine Hütte abhalten (Habe ich das gar nicht erzählt?! Ich habe sooo vieles gar nicht erzählt!). Das erste Mal Blut von einer Green Mamba abgenommen – der Bericht kommt noch, sobald er Freigegeben wurde. Ich habe hunderte Vögel das erste Mal gehört und habe unzählige Pflanzen das erste Mal in meinem Leben gesehen. Ich war das erste Mal als echter Guide tätig gewesen, habe eine Tour geführt und Leuten die Natur erklärt – auf einem Game Viewer und zu Fuß.

Auf dem Weg dorthin habe ich unheimlich viel gelernt und unheimlich viel gepaukt. Das war, wenn ich ganz ehrlich bin, nicht immer schön und für mich teilweise ganz schön stressig. “Durchhalten” war meine Parole und ich erinnerte mich sogar manchmal an eine Phrase in meiner Personenschutzausbildung: “Du kannst aufgeben, nur nicht heute. Morgen” war da ein gängiges Mantra gewesen– und es wirkt!

Ich bin regelrecht nochmal zurück zur Schulbank gegangen und habe mich des Öfteren tatsächlich sogar manchmal wieder wie ein Achtzehnjähriger gefühlt. Das lag nicht zuletzt an meinen, überwiegend neunzehn bis zwanzig Jährigen wilden Mitstudierenden und den entsprechenden Regeln – die diese so dringend nötig hatten. Ich hatte allzu oft meine Komfortzone berührt – und überschritten und war dabei letztendlich auch ein Stück weit abgestumpft. Vieles, was mich sicher vor fünf Monaten noch aufgeregt hätte, nahm ich nun maximal noch zur Kenntnis. Das hat mich irgendwie auch belastbarer und damit stärker gemacht. Ebenso habe ich aber auch meine Grenzen kennen gelernt und festgestellt, was mir wirklich wichtig ist.

Nun war diese Zeit vorbei und es warteten großartige neue Abenteuer auf mich! Ich nahm ganz viel neues Wissen und Verständnis mit, aber auch eine gute Handvoll neue Freunde und wertvolle Kontakte und ich wusste auch, dass Graham recht behalten wird: “Afrika ist jetzt in deinem Herzen”. Ja, ich werde definitiv wieder zurückkommen! Doch noch war ich ja gar nicht weg, sondern einfach nur – woanders.

ein fremder im privatjet

Der Flughafen von Richards Bay war klein. Sehr klein. Einzig der Flughafen in Thailand zur Insel Koh Chang war kleiner. Der hatte noch nicht mal Mauern gehabt. Der Airport in Richards Bay hatte wenigstens Mauern. Um 06:14 Uhr stolperte ich mit meinen zwei gut gefüllten Koffern und meinem Oliven Rucksack in die Flughafenhalle, oder besser gesagt in den “Flughafenraum” und war erstmal verwirrt: “Wo kann ich denn hier einchecken? Wo kann ich denn hier mein Gepäck aufgeben?” Ich folgte dem Schild für “Abflug” und stand nach zwanzig Metern vor einem einzelnen kleinen Heimannbogen (Dieser scannt nach Metall am Körper) und einem Rollband. Die Sicherheitskraft schaute mich mit großen Augen an. Ich war dort definitiv falsch, ich musste ja schließlich vor der Kontrolle noch meine Koffer einchecken.

“Wo ist denn der Check-In?” fragte ich eine Frau, die wie eine Mitarbeiterin aussah.

Hier vorne, direkt rechts, aber der hat doch gar nicht auf!”

Okay, soviel zu “eineinhalb Stunden früher da sein”, dachte ich und rollte meine Koffer zu den zwei Reihen Sitzbänken im Flughafenraum.

Um 08:25 Uhr startete der Flug in der kleinen Embraer 170 Maschine Richtung Johannesburg. Den Flughafen Johannesburg selbst erreichte ich nach gut eineinhalb Stunden und war ein bisschen verwirrt: Die Ausschilderung war nicht wirklich optimal. Erst nach einigen Fragen fand ich den richtigen Weg für meinen Anschlussflug und musste mich dann natürlich wieder etwas beeilen. Außerdem hatte ich mal wieder den “einen” Fehler gemacht, den ich so gerne machte: Ich kaufte mir im Transitbereich einen schmerzlich ersehnten heißen Kaffee, um dann festzustellen, dass ich doch noch mal durch die Sicherheitskontrolle muss. Dann heißt es, die gefühlt kochende Flüssigkeit in den Rachen hinunter zu spülen und dabei alles Organische zu verbrühen. Entspanntes Kaffeetrinken sieht anders aus. Mein Mundraum brannte und ich fühlte mich komisch. Doch nicht nur wegen den Schmerzen im Mund.

Zwischen all den “urbanen” Menschen fühlte ich mich irgendwie fehl am Platz. Ich hatte gedacht, dass ich mich mehr freuen würde, wieder etwas Urbanität zu erleben, doch es war anders herum. Mit meiner dunkelgrünen kurzen Hose, den Stiefeln und dem Hut fiel ich auf, war ich besonders – auf einer unschönen Art. Das war vor wenigen Stunden noch ganz anders gewesen und die erdachte „Erleichterung“ blieb auch aus.

Hatte ich gedacht, dass die Embraer 170 schon klein gewesen war, so wurde ich eines Besseren belehrt. Die Maschine von Johannesburg nach Upington, meinem Endziel, war um einiges kleiner. Neben mir saß keiner. Das lag daran, dass neben mir gar kein Sitz war. Es gab insgesamt nur drei Sitzreihen und eine davon war eben eine einzige am Fenster. Die Größe der Maschine war eigentlich eher ein großes Privatflugzeug als ein Passagierflugzeug, immerhin war es ein Rolls Royce – also die Turbinen.

Ich steckte mir meine kleinen Kopfhörer in die Ohren und startete die Hardrock Band “Five Finger Death Punch” – Die Musik, die ich beim Sport in Kuleni beim hatte. Unvermittelt schoss das Bild des kleinen Gyms vor mein inneres Auge und ich vernahm eine starke, spontane Sehnsucht in mir. Das Gym war also das Erste, was ich vermisste. Nach sechs Stunden. Strange!

trockene luft

Am Flughafen in Upington merkte ich dann, dass es noch kleiner ging als Richards Bay. Das kleine Flugzeug war direkt vor das “Flughafenhaus” gefahren und wir mussten keine zwanzig Meter gehen, um direkt beim Gepäckband anzukommen.

Außerhalb des Flughafens, noch ohne die Klimaanlage, war es heiß. Sehr heiß. Aber erstaunlicherweise nicht unerträglich. Das lag daran, dass es auffällig trocken war. Sehr trocken. Anders als die Temperatur in Kuleni lag die Luftfeuchtigkeit hier bei gefühlten -5 Prozent. Ich schaltete mein Handy in den Empfangsmodus und wollte gerade nochmal die Dokumente für die Reise durchgehen, da kam auch schon mein Gepäck auf dem Rollband an. “Das ging schnell”. Ich hievte meine beiden Koffer vom Rollband hinunter und nur wenige Minuten später in den weißen Toyota Fortuner von Rocco.

Rocco und Elize waren die Vermieter meiner Unterkunft in Upington und super herzlich! Das Abholen vom Flughafen war inklusive und sie boten mir sogar weitere Fahrdienst an, die ich dankend ablehnte. Es war sicher in Upington und ich mag es ja zu laufen. Mein Zimmer war groß und schön. Nach all der Zeit in der kleinen, löchrigen Holzhütte genoss ich es endlich mal wieder eine massive Wand, eine stetig warme Dusche mit ordentlich Wasserdruck und eine geflieste Nasszelle zu haben. Es gab eine Klimaanlage und ein riesiges, angenehmes Bett. Ich fühlte mich schlagartig wohl.

Hatte ich am zu Beginn der Reise noch Schwierigkeiten mich in die neue Rolle einzufinden, war es nun geschehen. Meine Rolle hatte sich nun von dem gefühlt abhängigen und „unfreien“ Behajne Studenten zu einem freien und bald schon ganz unabhängigen “Kunden” gewandelt. Nun war ICH wieder derjenige, für den alles “schön und komfortabel” gemacht wurde – Das hatte ich, als Zaungast, bei Bejahen oft von der anderen Seite aus erlebt: “Alles für den (heiligen) Gast, nichts für den Guide”.

der staub der vergangenheit

Ich schob meine Koffer in den auf angenehme 23 Grad herunter gekühlten Raum und öffnete diese. An sich nichts Besonderes, doch das war ein schöner, besonderer Moment: Es war das erste Mal seit fünf Monaten, dass ich meine Koffer offenlassen konnte, ohne die Angst zu haben, dass irgendwelche fiesen Spinnen oder Klamotten essende Mäuse sich dort verirren könnten! Nachdem ich alles so umgepackt hatte, wie ich es für nötig empfunden hatte, entschied ich mich, die Gelegenheit zu nutzen und die zwei T-Shirts vom gestrigen Tag mit der Hand zu waschen. Wer weiß, wie es die nächsten Tage so möglich war. Eigentlich hatte ich dort nur hinein geschwitzt, aber das Waschwasser färbte schlagartig sandfarben gelb-braun. Erst nach einigen Spülgängen schaffte ich es, dass das Wasser wieder klar wurde mir wurde bewusst, dass alle meine Sachen ganz schön eingestaubt sein mussten. Eingestaubt, nicht vom Hausstaub, sondern von feinem, roten Sandstaub. Dieser war in Kuleni allgegenwärtig gewesen und fiel mir daher gar nicht mehr auf. Aber hier, wo es nicht so staubig war, da fiel es eben auf einmal auf! Ich musste ein wenig grinsen. Die nächsten vierzehn Tage würde ich mit einem Dachzelt in der Kalahari Wüste verbringen. WÜSTE! Ich war mir daher ziemlich sicher, dass dort noch mehr Sandstaub sein würde.

“Komm her, lass uns gemeinsam erfrischen. Willst du ein Bier?” riefen sie und winkten mich zu sich. Na klar wollte ich ein kühles Bier! Also saßen wir gemeinsam mit den Füßen im kühlen Pool, tranken Light-Bier und unterhielten uns, während ihr ca. acht Jähriger Sohn im Pool plantschte und ihre Teenager-Tochter Teenager mäßig am Rand saß und genervt an der Situation teilnahm. Ich erhielt einige wertvolle Tipps für den Kgalagadi Park, die Wüste und die Umgebung und meine Vorfreude wuchs immer mehr.

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