no. 4 – alles doof im zulluland | das ende der komfortzone

Ein metallenes Kratzen und fieses Quietschen vom Blechdach über mir, holte mich am Sonntagmorgen schon gegen 05:30 Uhr aus meinen Träumen. Irgendetwas mit Krallen kletterte über mir auf dem Dach rum! Ich zog die Decke und den Schlafsack, den ich aufgrund der Kälte darübergelegt hatte, bis zu meinen Ohren und winkelte die Knie an, um meine Körperwärme bestmöglich optimal auszunutzen. Es war kalt geworden. Meine App zeigte mir neun Grad Außentemperatur an und die dünnen Bretter der Hütte waren keine wirkliche Barriere für die kalte Außenluft. Während es in Deutschland gerade Hochsommer wurde, erreichten wir hier im südlichen Teil der Hemisphäre den Höhepunkt des Winters. Das waren tagsüber trotzdem oft noch 25-30 Grad, aber nachts eben durchaus mal nur noch neun Grad.

Die Kälte hatte mich bereits mehrmals in der Nacht geweckt aber richtig tief hatte ich eh nicht geschlafen, denn unermüdlich waren die Autos und LKW auf der rauen, groben Straße unterwegs gewesen und die kühle, klare Luft hatte die Soundkulisse einer Raststätte direkt an mich weitergeleitet. 

Ich vernahm wieder das fiese Gekratze auf dem Dach: “Was klettert da eigentlich über mir rum?” grummelte ich vor mich hin und setzte mich genervt in meinem Bett auf. Das Aufwachen am ersten Sonntag morgen hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Verschlafen rieb ich mir die Augen, starrte in die Hütte und ließ die erste Woche nochmal Revue passieren. 

Es war wirklich kalt, aber nicht nur die nächtlichen Temperaturen, auch meine Stimmung war mittlerweile abgekühlt und es hatte damit keine Woche gedauert, bis ich in meine erste Krise geschlittert war. Grundsätzlich hatte ich mich mittlerweile ganz gut in der Hütte eingerichtet. Fast alles, was mir fehlte, hatte ich noch am Freitag im Ort besorgen können. Jetzt fehlte mir noch eine kleine Nachttischlampe und ein Fliegennetz, damit ich die Fenster auch in der Dämmerung öffnen konnte.

Die kleine Holzhütte war wirklich sehr rudimentär und glich eher einem hölzernen Gartenschuppen mit Bett und Schreibtisch als einem echten Haus. Überall waren Ritzen und Öffnungen nach außen, in denen Insekten eindringen oder sich verstecken konnten. Spannend in einem Land, in dem es auch wieklich fiese Viecher gab. Auf den Querstreben war nach jeder Nacht neue kleine Kot-Kötttel zu finden und jeden Abend fanden unzählige Licht-süchtige Motten den Weg in den Innenraum. Dies alles erschuf für mich, als verwöhnter Großstädte, nicht gerade eine heimelige Atmosphäre. Mir war allerdings meine privilegierte Wohnsituation im Verhältnis zu den anderen Mitstudierenden durchaus bewusst: Ich lebte alleine, hatte daher verhältnismäßig viel Platz und ich hatte Strom in der Hütte. Das war nicht selbstverständlich und nicht bei allen so. Die Meisten wohnten zu zweit auf kleinem Raum, viele in großen Zelten und manche hatten noch nicht einmal Strom. Doch manchmal fragte ich mich, ob es in einem Zelt nicht doch besser gewesen wäre. Dort konnte man wenigsten alles verschließen – solange das Zelt heile war. 

Die anderen Studierenden schienen diese Umstände allerdings nicht zu stören. Einige ließen in der Dunkelheit sogar ihre Fenster und Türen offen und hatten all ihre Klamotten in der ganzen Bleibe verteilt, ein vermeintliches “Spieleparadies” für Spinnen und anderes Kriechgetier. Das beeindruckte mich schon etwas. Übertrieb ich vielleicht ein wenig? War mein nordeuropäisches Empfinden einfach zu sensibel? 

Weiter verstärkt wurde meine aufkommende Befindlichkeit allerdings durch allerlei Insekten, die Gefallen an meiner Anwesenheit, vorzugsweise meinem Blut gefunden hatten: Mein Körper, aber vor allem die Ellenbögen, waren mittlerweile von kleinen, roten Stichen gesprenkelt. Zuerst vermutete ich eine allergische Reaktion auf die neue, noch nicht gewaschene Ranger-Uniform. Doch Tom vermutete eher kleine „Sand Flies“. Mini kleine Mücken, die eher wie Staubkörner aussahen, als wie Lebewesen. Am Dienstag Abend entdeckte ich dann, als ich mein Fleece anziehen wollte, eine riesige, fingernagelgroße Zecke, die sich dort tief hinein gebohrt hatte. „In das Fleece? Wie dumm bist du denn“ kam es spontan aus mir heraus. Aber vor allem beunruhigte mich der Umstand, dass ich dieses Fleece nur Abends in den Gemeinschaftsräumen getragen hatte – und nicht draußen bei einem Spaziergang – Wie kam diese riesige Zecke also dahin?

“Es gibt hier sehr viele Zecken, besonders im Sommer und einige haben auch Bakterien in sich, die dich krank machen. – Tick Fever” entmutigte mich Tom noch mehr. Das Fieber war angeblich nichts schweres wie Borreliose, aber knockte einen für mehrere Tage schon ordentlich aus. Das brauchte ich wirklich nicht! Er selbst habe das Fieber allerdings bereits zwei Mal gehabt, ergänzte Tom und gab mir den offensichtlichen Tipp “Immer schön abends absuchen!” Ich tat, wie mir empfohlen und entdeckte tatsächlich am nächsten Tag eine kleine schwarze Zecke an meinem rechten Unterschenkel. Sie hatte sich bereits schön in der Haut verankert, war allerdings sehr klein. In meiner Hütte versuchte ich dann, diese mit einer Pinzette zu entfernen (Für die Zeckenkarte war sie noch zu klein), doch sie wehrte sich ordentlich. Letztendlich siegte der Mensch, also ich, und so hielt ich am Ende das kleine Biest zwischen den Zangen der Pinzette. Als ich überprüfen wollte, ob ich die Stechwerkzeuge des Parasiten auch mit entfernt hatte und dafür die Pinzette öffnete, sprang die Zecke auf einmal mit einem großen Satz davon. „Springende Zecken?! WTF! Afrika, du gibst es mir aber wirklich“, dachte entsetzt, während ich dieses “Ding” hastig wieder mit den Fingern einfing und mit den Fingernägeln zerdrückte. Blut, mein Blut, spitze auf meinen Nagel und bei näherer Betrachtung erkannte ich, dass es keine neuartige „Afrikanische-Sprung-Zecke“ war, sondern ein Floh! Ich wusste aber nicht, ob ich mich freuen sollte. Denn ich hatte noch nie einen Floh gesehen, der sich so dermaßen in die Haut verbiss und gegen eine Entfernung wehrte – eben wie eine Zecke! 

Als ob das dann alles nicht genug für eine Woche war, bekam ich am Mittwoch richtige Magen- oder eher Darmprobleme. Diese hatten sich bereits am Dienstagmorgen bemerkbar gemacht, aber am Mittwoch war ich dann soweit, dass ich Medikamente einnehmen wollte – nach zweieinhalb Tagen im Busch. 

Die hygienischen Einrichtungen, also Duschhaus, Toiletten und Waschbecken, trugen dann auch ihren Teil zu meiner Gesamtstimmung bei. Grundsätzlich waren die Keramikteile sauber, da sie täglich durch die fleißigen Haushalts-„Ladys“, oder wie sich sie seit Ende der Woche nannte “Heros”, gereinigt wurden. Doch die Duschkabinen selbst waren sehr rudimentär und aus einfachem, rauem Waschbeton und groben Holzbrettern gezimmert worden. Eine Kabine hatte Fliesen, für die anderen hatte es scheibar nicht mehr gereicht. Es gab meistens Wasser, oft auch warm, aber dies nie zuverlässig und sehr schwer korrekt einzustellen – Mal war es so kochend heiß, dann wieder eiskalt. Spätestens aber, wenn mehrere Duschen an der Leitung vor einem genutzt wurden, kam bei einem selbst nicht mal mehr ein Rinnsal an. „Gott sei Dank habe ich keine Haare zu waschen“ dachte ich beim ersten Mal duschen. Es war eben kein europäischer Standard – Hatte ich aber auch nicht erwartet. 

Die Studentenküche, die wir an den Wochenenden zu nutzen hatten, machte ihrem Namen dann alle Ehre und sah eben genauso – und roch auch genauso so, wie man sich eine Studentküche von Anfang zwanzig Jährigen, das erste Mal von zuhause weg sind, vorstellt. Ich erspare Dir die sprachlichen Details und lasse Deiner Phantasie freien Lauf. Überhaupt musste ich mich erstmal an das College-Leben unter all den Kids mit ihren Themen, Problemen und Befindlichkeiten gewöhnen. Anders als ich es erwartet hatte, war bei ihnen eben nicht den ganzen Tag der Fokus auf der Natur sondern im Gegenteil, sie waren überwiegend mit sich selbst und ihrer eigenen, noch kleinen Welt beschäftigt. 

Die Affen ihrerseits genossen allerdings das mangelnde Verantwortungsbewusstsein meiner Kommilitonen und nutzen jede Gelegenheit, durch die mal wieder offen gelassene Tür in die Küche einzudringen und ihrerseits eine (Eier-) Party zu veranstalten. 

Dann waren da noch die, für mich für eine Natur-Schule unerwarteten Regeln und hieratischen sozialen Strukturen. Zu den Montagmorgendlichen “Room Inspections”, dem Verbot des Verlassen des Geländes, des Mitbringen von Alkohols oder des nächtlichen “Umherwanderns” geselten sich auch kleine Regeln, wie wann welcher Tisch zum Essen gehen durfte und in welcher Reihenfolge sich an der Essensausgabe anzustellen war. Ich war hierarische Strukturen und Regeln durch die Polizei durchaus gewohnt gewesen – Doch war ich auch nach Südafrika gekommen, um ihnen etwas zu entfliehen. Der bei BNT gelebte Habitus beschränkte meinen Handlungsrahmen, meine gefühlte Freiheit, untergrub meine Souveränität und erzeugte in mir unterschwellig ein Gefühl von Unmündigkeit – Auch wenn ich nicht die originäre Zielgruppe war. Doch da musste ich jetzt durch. 

Neben der gefühlten Unfreiheit war ich ja auch noch tatsächliche abhängig. Ich hatte vor Ort kein Auto. Das bedeutete, wenn ich mich vom Camp wegbewegen wollte, musste ich jemanden um einen Transport bitten. Dieser Umstand an sich war mir von vornherein klar gewesen – auch, dass dies nicht einfach für mich werden würde. Ich hatte diese Situation aber in Kauf genommen, denn ein Auto für die Zeit der Ausbildung bei BNT zu mieten, um damit dann nur am Wochenende zwanzig Kilometer in den nächsten Ort zu fahren, da war ich zu geizig gewesen, das wollte mir nicht leisten. Diese Entscheidung war also rational vernünftig gewesen. Emotional führte sie mich aber immer weiter in eine, unerwartet ausgeprägte, mental kritische Situation. Der Umstand, dass ich aufgrund meiner mangelhaften Sprachfertigkeit nicht immer alles sofort verstand und daher viele Informationen einfach an mir vorbei gingen, sowie die tägliche Situation, dass  ich (noch) nichts, die Anderen aber unheimlich viel wussten, war dann die Sahne auf dem Kuchen meiner jungen Unglückseligkeit. 

Wachstum liegt jenseits der Komfortzone

Also alles doof, im Zulu-Land? Sachen packen und ab nach Hause? Zurück ins mir bekannte Deutschland? Zurück in die Souveränität und Freiheit und zu meinem erwachsenen sozialem Umfeld, zurück in meine sichere, vertraute Komfortzone? Aber auch zurück zu Schmuddelwetter, Stadtleben, Alltag und den immer gleichen Eindrücken?

Mitnichten! Ja, die ganzen Eindrücke und Umstände waren für mich genauso und auch die Gefühle waren da. Aber ich hatte mit einer Art Krise am Anfang gerechnet. Ich hatte damit gerechnet, von Insekten aufgefressen werden und ich hatte keine Lodge mit Room Service und Whirlpool erwartet. Doch viel wichtiger war: Dies war alles nur die eine, schmuddelige Seite der Münze! 

Auf der anderen Seite war alles gar nicht mehr so dramatisch: Die laute Straße war nur am Wochenende so stark befahren. In der Woche kamen ab 21:00 Uhr oft nur noch sporadisch Autos oder LKW vorbei und manchmal konnte ich sogar in völliger Stille den Naturgeräuschen lauschen.  Ja, nachts wurde es bisweilen sehr kalt, aber es war hier Winter und steuerte auf den Sommer zu. Dann konnte ich mich über vierzig Grad beschweren und bis dahin hatte ich genug warmen Kram dabei. 

Die Tiere, die gruselig auf dem Dach kratzten, waren die bekannten, kleinen grauen Vervet Monkeys. Sie waren zwar eine schelmische Bande, aber ich fand sie lustig. Die Sandfliegen waren wirklich lästig, aber ich war zum Teil auch selber schuld. Eines Nachmittags fand ich es eine gute Idee, erst im T-Shirt, dann oberkörperfrei in der Abendsonne zu sitzen und beim Lernen den Sonnenuntergang zu genießen. Leider haben mich da auch die Sandfliegen genossen. Das mache ich nicht nochmal. Ab jetzt gab es erstmal abends lange Klamotten, wenn es zu warm dafür wird, sprühe ich mich mit DEET ein und vielleicht hilft ja auch der regelmäßige Konsum des mitgebrachten Schwarzkümmelöls. Bei den Riesenzecken kann ich tatsächlich nur weiter fleißige Absuche betreiben und ansonsten einfach beten – Doch irgendwann wird es mich erwischen, soviel steht fest. Villeicht ja ohne Fieber?! Die Flöhe waren, Gott sei Dank, nicht in meiner Hütte, sondern nur im Sand und netterweise ließ sich auch nur immer einer zur Zeit auf meinen Beinen nieder.

Mein Darm hatte sich sich wieder eingekriegt. Ich hatte das Trinkwasser im Verdacht gehabt. Dieses war nämlich normales Leitungswasser und wurde in Silos, so genannten „Jojo-Tanks“ in der Sonne gelagert, bis es verbraucht war. “Trinkbar” wie mir versichert wurde. Aber mein Magen war schwach und ich war dann einfach dazu übergegangen, am Abend meine riesige Thermoskanne mit heißem, kochendem Wasser zu befüllen und über Nacht den Deckel offen stehen zu lassen. So hatte ich am nächsten Tag warmes, keimfreies Wasser zu trinken. „Soll eh viel gesünder sein!“ und bis zum heißen Sommer wird sich mein europäisches, schwaches Immunsystem hoffentlich an die Umstände hier gewöhnt haben. 

Die Studentenküche muss ich, erfreulicher Weise, nur am Wochenende nutzen. Die Duschen sind, was sie sind. Kaltes – und Wechselduschen soll auch gesund sein, vielleicht fang ich hier mal damit an. Und meine „Gartenhütte“- Naja, immerhin war es „meine“ Hütte. Ich hatte mein eigenes Reich und sogar eine kleine Veranda. Dazu (fast) permanent Strom und mein Mosquito-Netz. Damit kam ich für die nächsten Monate gut klar. 

Meine jungen College-„Mitschüler“ waren ansonsten sehr sehr freundlich und hilfsbereit. Die meisten waren super aufgeschlossen und eigentlich alle waren wirklich sehr wissend. Klar ist es doof, wenn man selbst nicht so viel weiß. Auf der anderen Seite konnte ich so viel von ihnen lernen. 

Unterm Strich war es also alles gar nicht so wild und ich hatte nicht nur mit einer anfänglichen Krise aufgrund all der neuen Eindrücke gerechnet, sondern ich war ja auch genau darum hier her gekommen: Um meine Komfortzone zu erweitern und neue Eindrücken und Lebensweisen zu erfahren. 

Starke Natur, starke Fähigkeiten

Es waren gerade mal sieben Tage vergangen, aber es fühlte sich wie eine Ewigkeit an! Ich hatte so viele Eindrücke gehabt, so viel Neues gelernt und wurde in dieser Woche mit Unmengen an Namen und Informationen regelrecht “zugeballert”. Doch mittlerweile war ich orientiert. Nicht nur im Camp, auch langsam im Kuleni Reservat ansich, sodass ich bereits erste Spaziergänge allein machen konnte. Das war etwas, was ich sehr schätzte und was mir viel Energie gab!

Besonders schön waren für mich die Sonnenauf- und Untergänge. Die gedeckten, matten Farben der Erde und der Pflanzen an sich sind schon phänomenal, aber die Sonneauf- und Untergänge waren eine andere Liga. Die Natur in Kuleni war wirklich wunderschön und allgegenwärtig. Überall waren Spuren von wilden Tieren und manchmal ließen sich diese sogar blicken. Zebras, Impala, Warthogs, Njala. Die Vogelpracht war enorm. So zahlreich und bunt – und das im Winter. Etwas anders wurde mir nur, wenn ich daran dachte, dass ich all diese Vögel mal erkennen musste. Das Beste aber war: Dies alles war direkt vor meiner Tür! Manchmal sogar im wahrsten Sinne des Satzes: Am Donnerstag kam Tom extra zu mir in die Hütte, um mir eine grüne Bush Snake zu zeigen, die sich in einem Busch am Hauptgebäude eingerichtet hatte. Klein, grün, harmlos. Aber leicht zu verwechseln mit der hier heimischen „Boomslang“, einer der giftigsten Schlangen der Welt, wie ich direkt von ihm lernte. Durch das Gift fangen inneren Organe an zu bluten, bis man innerlich verblutet ist! Vorgestern hatte mein Nachbar Steffen dann eine kleine Kobra unter seiner Hütte, die er mittels eine speziellen Zange zwischen den Steinen herzog und gute 200 Meter weiter weg wieder in den Busch warf. Und gestern hatte ich zwanzig Meter von meinem Eingang entfernt einen Haufen frischer, kleiner Impala-Köttel und jede Menge Spuren.

Was mir auch sehr gefallen hatte, waren die gemeinsamen „Walks“ jeden Morgen. Ich liebte die Walks. Es waren quasi Spaziergänge, mit einem speziellen Thema. Eine kleine geführte Tour, organisiert von einem erfahrenen Studenten. Am Vorabend konnte man sich dafür in eine der angebotenen Touren eintragen und um 06:30 Uhr ging es dann bis zum Frühstück gegen 08:00 Uhr los. Das hatte den Sinn, dass die Fortgeschrittenen das “Guiden” übten, die anderen Teilnehmer ihren Stoff wiederholten und ich – ich erstmal alles in kleinen Häppchen lernen konnte.

So erfuhr ich, wie ich mich im Busch orientieren konnte, in dem ich bspw. einen Kompass mittels Stöcken und der Sonne erstellte. Ich identifizierte mein dominantes Bein, was wichtig ist, um zu wissen, in welche Richtung man unbewusst beim Gehen abdriftet, auch wenn man meint, geradeaus zu gehen – und ich lernte, die Himmelsrichtung ohne Sonne und Kompass anhand eines Termitenhügels zu bestimmen. Beim Tracking selbst wurden mir die ersten Spuren erklärt, doch behalten hatte ich kaum was – zu viel Infos waren das am Anfang. Allerdings haben wir die Spur eines Leoparden entdeckt, der hier im Reservat sein Jagdrevier hat – diese Spur habe ich verhalten. Auf einer weiteren Tour wurden mir allerlei Vögel erklärt (und wie man sie fängt) und an wieder einem anderen Tag lernte ich viele interessante Bäume und Büsche kennen. So ist das Holz des „White Iron Wood“ so dicht und schwer, dass es im Wasser untergeht, dafür ewig brennt (Wenn man es denn klein bekommt). Der Curry Busch, der überall kniehoch wächst, gelb ist und nach – Curry – riecht, wird von Raubtieren dafür genutzt, um den eigenen Geruch zu übertünchen und soll Kopfschmerzen lindern. Das Swazi Grape Kraut kann, wenn man die Blätter zerreibt, dafür verwendet werden, um offene Wunden zuzukleben und mit dem weißen Latex-Saft des Toad-Trees kann man allerlei Sachen ankleben. Ich lernte den „Green Thorn Torch Wood” – Baum kennen, der so stabil im Boden verankert ist, dass kein Elefant ihn umknicken kann und von den Zulu, dem hier ansässigen Volksstamm, als Symbol der Stärke und der Widerstandskraft verehrt wird und auch dem „Small Knopp Wood“ werden stärkende, magische Kräfte zugesprochen.

Neben den morgendlichen Touren stand in der ersten Woche Waffenrecht und besonders Waffenhandling auf dem Plan. Ich lernte das „Bold Action“ Gewehr, Kaliber 375 mittels „Trockentraining“ kennen und trainierte einige der Drills ausgiebig. Brauchte ich zu Beginn des Drills noch vierzehn Sekunden, schaffte ich es am Ende des ersten Trainingstages, die Zeit auf neun Sekunden zu drücken. Das war ein Erfolg und es machte mir wirklich Spaß. 

Plötzlich fing mein Gesicht an zu glühen. Ich hatte mich auf die Veranda meiner kleinen Hütte gesetzt, um diesen Bericht zu schreiben. Nun hat sich die Sonne vollkommen aus den Büschen geschält und ich wurde voll erleuchtet. „Das wird mir zu heiß, 22 Grad hin oder her. Hier ist es definitiv wärmer“ grummlte ich vor mich hin und verlegte in die Hütte. Dort war es schattiger, aber immer noch mollig, dafür angenehm warm. 

Die Tür war weit geöffnet und rauschend flüsterte nun der Wind durch die Büsche und Blätter. Das Reisefliegennetz, dass ich vor die Tür gehängt hatte, spielt mit dem Sonnenlicht und es entstand eine angenehme, sehr idyllische Atmosphäre, ein lieblicher „Safe Space“. Ich lauschte in Gedanken der nächsten Windböe, die die Büsche um mich herum wieder zum Rauschen bra.. 

BAMM

Mit einem ohrenbetäubenden Knall war etwas sehr Schweres und sehr Großes auf das Blechdach meiner Hütte geknallt und die „Idylle“ war es schlagartig vorbei. Adrenalin schoss in meinen Körper und beförderte meinen Puls schlagartig von bummeligen 60 Schlägen auf nun 110. „Was um alles in der Welt war das?!“

Ich sprang auf, klettere auf das Geländer der Veranda und schaute vorsichtig über die Kante auf das Blechdach. Nichts. Dann fiel mein Blick auf die grünen, festen Früchte, die an dem Baum neben meiner Hütte hingen. Sie waren etwas größer als ein Tennisball und minimal kleiner als eine kleine Kegelkugel, aber genauso schwer und fest. Die Zulu nennen sie „Amahlala“, „Green Monkey Orange“. Weil sie den Affen so gut schmecken – wenn sie sich durch die dicke, feste Schale und die holzartige Schicht gearbeitet bekommen. 

„Wenn da nicht eine Monkey Orange auf mein dünnes Blechdach gefallen ist“, dachte ich mir grinsend, sprang von dem Geländer wieder auf die Veranda und klopfte meine Hände an meiner Shorts ab. 

Ich glaube, es war Zeit für einen großen, süßen Tee!

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