no. 5 – drive-by, giraffen und alte schnecken | bonamanzi game reserve

Als Dylan gegen 06:45 Uhr in einem Sandfarbenen, offenen Safari-Mobil, Game Viewer genannt, um die Ecke bog und vor dem Gemeinschaftshaus zum Stehen kam, machte sich etwas Unruhe breit: Der umgebaute Toyota Land Cruiser war hinten offen- Komplett offen!

Das war grundsätzlich sehr gut für die Aussicht, aber schlecht, wenn die Sonne von oben brennt und man gerne etwas Schatten haben würde. Schatten wollten wir zu dem Zeitpunkt allerdings gar nicht haben, denn es war mit elf Grad wieder recht frisch und die Meisten hatten, wie fast immer, nur eine kurze Hose und maximal ein Fleece und eine Mütze an. Nur drei Leute waren mit langen Hosen und Jacken bekleidet. Ein neuer Instruktor, Graham, ein „Second Year- Student“ – und ich. Anfangs hatte ich mich wieder hinterfragt: „Alle in kurzer Hose, nur der Kirk kommt in langer?!“ Doch als ich Dylan mit dem Geländewagen anbrausen sah und die offenen Sitze erblickte, wusste ich, dass ich mich doch richtig entschieden hatte.

Es war Safari im Bonamanzi Game Reserve angesagt! Meine erste Safari, seitdem ich im Zullu-Land angekommen war. Doch es sollte nicht einfach nur eine gemütliche Fahrt im Safari-Mobil sein. Nein, Dylan hatte vor, mit uns zu Fuß das Reservat zu erkunden. Doch dafür mussten wir zuerst noch knapp zwanzig Minuten zum Park fahren – und das eben im offenen Safari-Mobil, bei 11 °C Außentemperatur – zuzüglich Fahrtwind.

Ich zog mir meine dünne beige Windjacke über, hievte meinen Rucksack auf einen der äußeren Sitze, kletterte auf die Sitzfläche und zog die Kapuze der Windjacke tief in mein Gesicht. Ich freute mich! Gerade die Walks hatten mich damals, 2021 im Amakhala Game Reserve auf die Idee gebracht, die Wildnis zu erforschen und dafür die Ausbildung zum Nature Guide zu absolvieren. Hier schloss sich nun endlich der Kreis – Ich war bereit!

Die Fahrt war kalt. Sehr kalt. So schien es zumindest den Äußerungen und dem Verhalten meiner Mitfahrenden nach zu urteilen. Doch mir ging es gut. Die Windjacke tat zuverlässig ihren Dienst und ich freute mich über den guten Kauf. Ich hatte mir aber noch meinen Merino-Sleve bis über die Nase gezogen und meine Sonnenbrille gegen den Fahrtwind und mögliche Insekten aufgesetzt. Jetzt genoss ich entspannt die Aussicht und die aufgehende Sonne und freute mich, endlich mal wieder raus zu kommen. Denn so schön die Umgebung des Camps in Kuleni auch war, ich freute mich auf Abwechslung – und die sollte ich auch bekommen.

Überwiegend über „Dirt Routes“, also grobe, unebenen Sandstraßen, meist übersät mit dicken, roten Steinbrocken, erreichten wir gegen 07:15 Uhr eine Nebenzufahrt zum Bonamanzi Game Reserve. Nach dem Öffnen des großen, mit Stacheldraht vergittertem Metalltores lenkte Dylan den ruhig blubbernden Geländewagen auf den gelben Sandweg und ich war nun mehr als bereit, vom Geländewagen zu springen und zu Fuß jede Menge Tiere zu entdecken. „Es ist schon was Besonderes, wenn man auf einmal einem ausgewachsenen Elefanten gegenübersteht, als wenn man nur im Wagen sitzt“ hallten mir die Worte von Njabulo, einem Studenten aus der umliegenden Community, im Ohr.

Ich wartete also nur darauf, dass Dylan den Wagen endlich irgendwo abstellte und es zu Fuß weiterging und gerade mit Dylan sollte „Trailing“, wie es hier hieß, sehr beeindruckend und bereichernd sein. Doch Dylan steuert den Toyota weiter und weiter die Sandpisten zwischen den Bäumen und dichten Büschen entlang. Nach weiteren fünfzehn Minuten Fahrt im Reservat bogen wir links ab und trafen nach wenigen Metern auf mehrere große Gebäude und eine gepflegte, nahezu parkähnliche Anlage. Offensichtlich hatte sich mitten im Park die „Parkverwaltung“ inkl. Veranstaltungsraum, Hotel, großem Parkplatz, einem Restaurant und sogar einer Bar niedergelassen. „Alle absitzen und registrieren“ rief Dylan aus dem geöffneten Fenster zu uns nach hinten, nachdem er den Wagen direkt neben der Rezeption zum Stehen gebracht hatte.

Das Bonamanzi Game Reserve ist mit 4000 Hektar ein verhältnismäßig kleines Reservat, kann aber mit fast allen „Big Five“ aufwarten. Nur die Löwen fehlen hier. Das hat, laut Tom, u. a. den Hintergrund, dass dadurch die Auflagen und die Versicherung für die Lodges exorbitant steigen – und somit nicht mehr so gut „Business“ zu machen ist.

Nachdem wir uns alle registriert und den ersten Tee weggebracht hatten, sammelten sich alle an einem, von der Morgensonne beschienenen Plätzchen und versuchten uns etwas aufzuwärmen. Doch ich wurde ungeduldig. „Eigentlich kann es doch jetzt los gehen“, dachte ich. „Worauf warten wir?“

Auf die Parkmanagerin Vanessa, vier Kartuschen Pressluft und ein weiß graues Paintball-Gewehr. Denn Dylan war hier natürlich gut bekannt und quasi ein Teil der Parkverwaltung. Daher erhielten wir den Auftrag, alle Giraffen, Zebras und Nashörner, die wir sehen, zu beschießen. Nicht mit Farbe, sondern mit einem Anti-Zecken-Repellent. Zecken, so habe ich ja schon erfahren, waren hier zurzeit eine riesige Plage und gerade die Giraffen, Zebras und Nashörner leideten besonders unter ihnen. Zudem sollte die Zeckenpopulation allgemein etwas reduziert werden. Da dies aber, trotz großem Zaun, noch wilde Tiere waren, konnte man nicht einfach zu ihnen hingehen und das Repellent geschmeidig auf den Nacken tropfen, wie man es vielleicht von der eigenen Hauskatze her kennt. Hier sind größere Distanzen zu überbrücken und daher gibt es spezielle „Paintball“- Kugeln, die diesen Wirkstoff in sich haben.

Nachdem wir den bebauten Bereich verlassen hatten, stießen wir schon bald auf die großen, „platten“ Spuren eines Elefanten, der, den Spuren nach zu urteilen, gerade eben erst mit einem Baby-Elefanten quer über eine größere Dirt Road gelaufen sein musste. „Die Elefanten sind hier sehr scheu und meisten in dem Gehölz unterwegs“, erklärt uns Dylan und zeigte, worauf wir achten sollten, wenn wir diesen trotzdem folgen wollten. Da wir aus Sicherheitsgründen keiner Elefantenkuh mit ihrem Baby im dichten Wald folgen wollten, ging es aber erstmal wieder mittels Auto weiter.

Wir fuhren auf gelben und roten Sandwegen an niedrigem Gehölz, einigen Impalas, Kudus, noch mehr Bäumen und ganz viel Wald vorbei. Plötzlich steuerte Dylan den Wagen auf einen kleinen Weg und die Umgebung ändert sich schlagartig. Der Wald, die Bäume und Sträucher brachen auf und vor uns öffnete sich eine goldgelbe, weite Steppenlandschaft. Wir waren keine 200 Meter gefahren, da schaltete Dylan den Motor des Toyota aus, ließ den Wagen ausrollen und deutete nach rechts. Etwa 200 Meter entfernt stand ein der „Big Five“, ein großer, schwarzer Afrikanischer Büffel mit riesigen Hörnern. „Das geht ja gut los“, dachte ich und wollte nun endlich von dieser Karre runter! Doch daraus wurde nichts, denn Dylan hatte ein Ziel: Er wollte frische Spuren von Nashörnern finden und diese dann mit uns zu Fuß verfolgen. Doch die Nashörner hatten da scheinbar keine Lust drauf.

Wir fuhren also immer weiter und weiter. An unzähligen Fußspuren im Sand und Dung auf dem Boden vorbei. Die Landschaft ändert sich oft unvermittelt und mannigfaltig. Beeindruckende Farbkompositionen von Gold-Gelb, Rostbraun und unzähligen Grüntönen wechseln sich mit allerlei Flora und Fauna ab und machte die ruckelige Fahrt bei mittlerweile 26°C wunderschön. Nur die Nashörner blieben verschwunden. Plötzlich trat Dylan auf die Bremse und der Toyota kam in einer gelbgrauen Staubwolke zum Stehen. „Zebra, Giraffe“ rief Dylan und deutet nach vorne ins Dickicht. Ich konnte zuerst nur die weiß-schwarzen Zebras erkennen, doch dann steckte eine der langhalsigen Riesen ihren Hals aus einer Baumkrone heraus und schaute uns neugierig an.

Mit einem kräftigen Ruck riss Dylan die silbern glänzende Tüte auf und ließ sechs dunkelgrüne Kugeln die den Magazinbehälter des Softair-Gewehres gleiten. „Ich frage mich, wie weit das Ding eigentlich schießt“, sagte er und drückte ab. Mit einem lauten „Puff“ jagte eine Repellent-Kugel in den fünfzehn Meter entfernten Busch neben dem Toyota. „Das sollte klappen!“ Der „Puff“ war nicht so laut wie ein echter Schuss, dennoch zucken die Giraffen, mittlerweile drei an der Zahl, zusammen und schritten nun mit zügigen, großen Schritten weiter in das Unterholz hinein. Dylan war davon aber nicht beeindruckt, startete den Wagen und versuchte, den Giraffen etwas ins Unterholz zu folgen. „Warum laufen wir nicht“ fragte ich, meine Chance witternd, als die Tiere, sichtlich irritiert, sich immer weiter entfernen. „Weil die das Auto immer noch mehr tolerieren als uns zu Fuß“, entgegnet Dylan. „Wären wir so nah zu fuß, wären sie schon lange weg“. Das leuchtete mir ein – Leider.

„Puff, Puff, Puff

Die letzten drei Kugeln trafen die letzte flüchtende Giraffe direkt auf das Gesäß. Dylan hatte mittlerweile die Steuerung des Wagens an den neuen Instruktor Graham abgegeben und war zu uns auf die Sitzfläche gesprungen. Nachdem sich die Tiere anfangs weit in den Bush verzogen hatten, hatten wir einige Meter weiter Stellung bezogen und so lange gewartet, bis sich die neugierigen Tiere wieder blicken gelassen hatten. Diesmal hatten sie sogar Freunde mitgebracht so luscherten nun fünf neugierige Giraffenköpfe aus dem straßennahen Dickicht hervor und ließen sich so wunderbar in einem „Giraffen-Drive-By-Shooting“ beschießen – pardon, behandeln. „Die Videos bitte nicht ohne Kontext in Social Media posten“, bat uns Dylan, während er das Paintball-Gewehr in der Fahrerkabine verstaute. „Die meisten sehen sonst nur, dass wir zur vermeintlich eigenen Belustigung die Tiere mit Paintball-Kugeln beschießen und verstehen nicht den Sinn dahinter. Dann bricht wieder so ein Shitstorm los“.

Wir fuhren noch an einigen anderen bemerkenswerten Tieren vorbei und erhielten weitere tolle und sehr interessante Informationen. Gerade die Vögel schienen es den meisten hier angetan zu haben und regelmäßig brach regelrecht Euphorie aus, wenn wieder ein toller Vogel entdeckt wurde. Doch weitere Giraffen, Büffel, Nilpferde und Elefanten fanden wir nicht und auch die Nashörner blieben weiter verschwunden. Es waren halt wilde Tiere und wir nicht im Zoo.

Gegen 13:00 Uhr brachen wir ab. „Die meisten Tiere sind jetzt sowieso im Mittagsschlaf“, erklärte uns Dylan und hielt den Wagen kurz vor dem oberen Ende eines steilen Hanges. „Merkwürdige Position zu halten, zwei Meter weiter und wir wären auf planer Fläche dachte ich und schaute mich um. Hatte er vielleicht irgendein Tier entdeckt? Dylan öffnete die Fahrertür, sprang auf die grobe, grau- gescheckte Fahrbahn und hob einen der vielen Steine, die hier lagen, auf. „Schaut euch mal diesen Stein genauer an“ sagt er und reichte den Stein zu uns ins Fahrzeug. Der „Stein“ war gar kein einfacher Stein, sondern ein versteinertes Glied eines, wohl mal riesigen, Schneckenförmigen Meereswurmes. „Die sind hier überall“, sagte Dylan und zeigte auf das Gebiet um uns herum. „Das war zu Urzeiten mal alles überflutet gewesen und hier sind nun unzählige Versteinerungen zu finden“.

Wir waren ganz begeistert und auch Graham, der seit über 15 Jahren im Busch tätig war, hatte sowas noch nicht gesehen. „Die liegen hier ja alle rum wie einfaches Geröll“ rief er laut und nahm einen „Stein“ nach dem anderen hoch, um ihn zu begutachten.

„Das macht wohl einen guten Guide aus“, dachte ich schmunzelnd. „Immer die Tour mit einem tollen Erlebnis beenden!“.

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